Samstag, 27. Juli 2013

"Na hoffentlich wird der nicht zum Pferd!"



meinte Franzi, als ich ihr erklärte, dass ich jetzt bei Joey mit einer langen Touchiergerte arbeite.

Nein, wird er nicht – aber es hat durchaus Vorteile, wenn man lange mit Pferden und Ponys gearbeitet und sich mit den verschiedenen Ausbildungsmethoden befasst hat.

Auf die Idee mit der Gerte bin ich gekommen, nachdem ich einen Abend irgendwie ständig seine Beine an oder unter meinen Füssen hatte. Er zieht und läuft dabei im Zickzack. Er könnte ja irgendeinen tollen Geruch verpassen – und ihn mit mit Armkraft an der Leine seitlich zu halten geht auf Dauer nicht. Kurz: ich war irgendwann nur noch abgenervt und angesäuert und hatte die Nase voll vom Leinengezerre.

Dann habe ich mich an das Buch von Anton Fichtlmeier über Leinengehorsam erinnert, der hat irgendwo dann auch mal eine Gerte benutzt und vor allem bildet er auch Jagdhunde aus. Letztlich war es bei unserem Pony vor der Kutsche und bei der Bodenarbeit ja nicht viel anders. Es werden Peitschen und Gerten eingesetzt um den eigenen Arm zu verlängern und so gezielt Signale geben zu können. Jedenfalls ist das Sinn und Zweck der Teile. Es sollte jeder, der damit arbeitet, an seinen bloßen Beinen mal ausprobieren, welche Schlagkraft die Teile haben.

Also am nächsten Morgen meine Springgerte rausgesucht. Die ist zwar sehr kurz, aber mit einer „Klatsche“ am Ende, also einer breiteren Lederschlaufe. Da habe ich dann einige zusammenhängende Tüten durchgezogen (von der Muffbeutelrolle, sehr praktisch...) und fertig war mein „verlängerter Arm“. Der Versuch mit der Springgerte war so gut, das ich auf dem Rückweg von der Runde gleich in den Reiterladen nebenan marschiert bin und dort das Gertensortiment durchgeschaut habe. Entschieden habe ich mich dann für eine Touchiergerte, die 1,50 m lang ist.

Was macht man im Pferdebereich mit Touchiergerten? Nicht alles geht nur vom Sattel aus, man kann auch wunderbar vom Boden aus mit einem Pferd arbeiten und ihm dabei z. B. Tricks wie „Verbeugen“ oder „Spanischen Schritt“ beibringen. Mit einer Touchiergerte hat man die Möglichkeit, dabei gezielt das Bein anzuticken, das gehoben werden soll – und das auch aus sicherer Entfernung. Es gibt mitunter so Spezialisten, die meinen, es ginge auch so, sie könnten das mit der Hand machen. Nicht wenige sind dabei schon von ihrem Pferd ausgeknockt worden, weil plötzlich das Bein hochgeworfen wurde und da leider der Kopf vom Mensch noch im Weg war. Das ist dann ungefähr wie ein Kinnhaken mit einem Vorschlaghammer. Nicht schön.

Was mache ich jetzt bei Joey mit der Touchiergerte? Ich habe da mal ein bisschen gezeichnet um euch das besser erklären zu können:




Joey läuft vor mir, die Leine ist bei mir am Bauchgurt eingehakt. Er läuft vorweg, Blick immer geradeaus. Auf Stimme reagiert er nicht. In dem Bild habe ich mit rot mal grob die Blickwinkel eingezeichnet. Die senkrechten roten Striche sind quasie die seitlichen Begrenzungen, da nehmen wir noch etwas wahr.

Also ist klar – selbst wenn ich mit den Händen ein Signal geben würde – Joey würde das nicht mitbekommen – und die Zieherei an der Leine erzeugt letztlich nur Gegendruck – und nicht, dass er es wirklich als Signal wahrnimmt, auf das er bereitwillig reagieren soll.

Am Ende der Touchiergerte ist wieder „Geraschel“ angebracht, das auch gut zu sehen ist. Und genau so kann ich Joey ein Signal geben, das er auch mitbekommt. Er hört das Geraschel – und die Tüten (also das Geraschel) sind in seinem seitlichen Blickfeld. Wir haben zwei Tage lang auf den Gassirunden geübt, das er da, wo die Tüten rascheln nichts zu suchen hat. Es wurde immer in einigem Abstand mit der Gerte gewedelt, wenn er versucht hat, diese Richtung einzuschlagen. Was auch bedeutete, das er sich ungefähr dreimal einen Nasenstüber eingefangen hat, weil er unbedingt „durch die Gerte“ laufen wollte. Das heisst, er ist wirklich in die wedelnde Gerte reingelaufen. 

während des Laufens aufgenommen um euch zu zeigen, wie das aussieht

Es sieht vielleicht merkwürdig aus, wenn wir so unterwegs sind und vor allem ist es so, das man sich vor allem am Anfang wirklich die ganze Zeit auf Hund und Gerte konzentrieren muss – aber es hat sich total gelohnt! Denn im Vergleich zu vorher sind wir jetzt viel stressreduzierter unterwegs. Von komplett locker sind wir noch weiter weg, aber die Arbeit mit der Touchiergerte ist ein großer Schritt in diese Richtung. Denn in seiner Angespanntheit braucht Joey eigentlich jetzt erst einmal nur ein Signal wirklich beachten – und das ist das Geraschel. Die Leine ist seine Begrenzung nach vorne. Bleibe ich stehen, gehe ich langsamer, muss er es automatisch auch.


hier noch mal etwas "dichter dran", das ihr seht, Geraschel  ist auf Kopfhöhe...

Das Geraschel am Ende der Gerte sagt ihm: Bis hierhin – und kein Stück weiter! Damit habe ich Platz vor meinen Füßen und kann verhindern, das er hin und her rennt. Ist die Leine länger, er sehr aufgeregt und Platz genug, kann ich ihm den Raum im Halbkreis vor mir geben und verhindern, das er hinter mich läuft (na ja theoretisch, praktisch klappt es noch nicht immer – aber immer besser).

Würde ich das „Geraschel“ als „Fläche“ machen, also zum Beispiel als viereckiges Tuch, könnte ich ihm damit das Sichtfeld bei Bedarf einschränken. Das bedeutet, ich könne zum Teil verhindern, das er Katzen und andere Hunde überhaupt sieht und auch abbiegen kann ich mit der Touchiergerte anzeigen – denn das Prinzip ist ja: Weiche vor dem Geraschel.

Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht. Zumindest in vielen Fällen etwas entspannter. 

Grad noch rausgesucht, ein Video wo man sieht, wie bei der Bodenarbeit mit einem Pferd Gerten als verlängerte Arme eingesetzt werden :-D

 

2 Kommentare:

  1. sehr interessant. Schön, dass es Vortschritte gibt. Wenn auch langsam.

    Aber noch habt ihr ja Farino dabei. Der Unterstützt auf der Hundeebene :-b

    Das mit der Touchiergerte und Bodenarbeit machen wir gerade im Reitunterricht. Wir sitzen drauf und Lehrerin erklärt den Pferden was die machen sollen.
    Candy z.B. muss noch einige Sachen bis zur MeinTier besser können. Da wird mit Reiter drauf geübt. Der gibt dann im Idealfall noch die richtigen hilfen :-)

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  2. Manuela, ich glaube, dass die allermeisten Leute mit Joey überfordert gewesen wären. Du aber hast die Geduld, Kenntnis und Willen, mit ihm zu arbeiten. Und Farino als Helfer! Joey hätte es nicht besser treffen können als mit Dir und ich bin sehr gerührt!

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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.