Samstag, 13. April 2019

Dornröschen & Co


Huch, lange nichts mehr geschrieben. Es gibt uns aber noch!

Bei der ganzen Wolle, die hier angeliefert wurde, ist vor einigen Wochen eine Spindel dabei gewesen. Also das runde Holzteil oben auf dem Bild. Vor rund 40 Jahren hatte ich „Wolle spinnen mit einer Handspindel“ dann mal in der Schule. Es war furchtbar und hat nicht geklappt. Was aber auch mit an der Lehrerin lag, die es selbst eigentlich nicht richtig konnte und die Spindel damals war auch so ein „Säg mir mal eine Scheibe aus Restholz und schiebe da einen Rundstab durch...“. Zu schwer, zu groß.

Mein Probierset war eine Holzspindel und drei verschiedene Wollsorten im Kammzug für 8 Euro. Kammzug heißt, die Wolle ist gereinigt und gekämmt, die Fasern liegen alle in einer Richtung. Eine Anleitung habe ich bei Chantimanou gefunden, die macht Youtube-Videos darüber. Sie kann das wirklich super erklären – und so habe ich mir der „Park and draft“-Technik die ersten dicken Fäden hinbekommen. Also Wolle auseinander ziehen, Spindel drehen, den entstehenden Drall in die Wolle wandern lassen, Spindel festklemmen, aufwickeln. Und so weiter. Das hat echt Geduld und Durchhaltevermögen gekostet, weil es einfach mühselig ist, der Faden oft reißt und neu angesetzt werden muss, die Spindel runterfällt oder sich zurückdreht, weil der Faden zu dick geworden ist und die Spindel sich dann nicht lange dreht. 


Weil man Wolle, die man kardiert hat (Karden sind Bürsten mit vielen Metallhäkchen, also ähnlich wie manchen Hundebürsten, nur in viel größer) aufgerollt besser verspinnen kann, habe ich das auch ausprobiert. Dabei kann man auch Wolle mischen, was mir noch viel besser gefällt. Diese Rollen, die man verspinnt, werden "Rolags" genannt.

Mittlerweile habe ich mindestens schon einen halben Kilometer Faden gesponnen. Der gelbe auf den Fotos hier ist mit einer der ersten Versuche und auf dem Bild unten sieht man, wie unregelmäßig und dick der da noch war. Der wird immer noch etwas unregelmäßig, aber ich bekomme den grundsätzlich schon mal gut hin und auch so, dass die Spindel sich frei dreht und ich dabei die Wolle ausziehen kann, bis die Spindel auf dem Boden aufsetzt und ich den entstandenen Faden auf die Spindel wickeln muss um das nächste Fadenstück zu spinnen. Besuch, der bei uns war und gesehen hat, dass ich nun so spinne, das Garn dabei herauskommt, hat "Dornröschen" zu mir gesagt. "Oder Frau Holle!". 



Mit dem Faden auf der Spindel ist aber noch keine Wolle fertig, die man verhäkeln, verstricken oder verweben kann! Der muss irgendwann abgewickelt und verzwirnt werden. Also mit einem zweiten Faden versponnen. Also muss man mindestens doppelt so viel Garn spinnen, wie man am Ende gerne haben möchte. Hier auf dem Bild sieht man, wie zwei Fäden miteinander verzwirnt sind. 



Auch dann ist die Wolle noch nicht fertig zum verstricken und Co! Die verzwirnte Wolle muss gehaspelt werden. Das bedeutet, sie wird fest um ein Gestell gewickelt und hat Zeit, sich „zu setzen“. Ich wickle sie um eine Stuhllehne. Eine Runde sind etwa 75 cm. Dann kann ich gleich gucken, wieviel ich gesponnen habe. Dort bleibt die Wolle einen Tag. Dann wird sie mit Bändern abgebunden und kommt in eine Schüssel mit heißem Wasser. Sie wird so mindestens 20 Minuten gebadet. Wolle schrumpft dabei. Danach kommt sie in kaltes Wasser und dann wird sie gestreckt, ausgewrungen, ein paar Mal auf den Wannenrand geschlagen um sich besser zu verfilzen – und dann darf sie trocknen.

Es ist ein langwieriger und langsamer Prozess und ich bewundere unsere Vorfahren, die es so fertig gebracht haben, Garn für die komplette Bekleidung und sogar für riesige Segel zu spinnen! Dazu kommt ja, das verschiedene Fasern auch verschieden lang sind. Es gibt Schafwolle mit langen Haaren, die bis zu 12 cm lang sind. Andere Schafrassen haben nur kurze Haare mit 3 – 4 cm. Auch Leinenfasern habe ich schon mit versponnen – die sind zwar schön lang, aber sehr glatt. Insgesamt finde ich es total faszinierend, wie man aus wenigen Fasern dann einen Faden spinnen kann, der eine immer schwerer werdende Spindel hält. 


Es ist sehr spannend, sich mit dem Thema zu befassen – und es gibt sehr viel zu lernen. Da die von mir hergestellte Wolle sehr unregelmäßig ist und keine lange Lauflänge hat, wird sie verwebt. Und das... ist dann die nächste Geschichte! :-)