Donnerstag, 31. August 2017

Über den Tellerrand geschaut: Die Milchtankstelle




Nun sind wir schon etwas länger wieder aus dem Urlaub zurück - und ich habe euch immer noch nicht von der Milchtankstelle berichtet, die wir besucht haben. Zum Team "Milchtankstelle" gehören auch die beiden neugierigen Ladys da oben auf dem Bild. 

Also, wir waren in unserer alten Heimat, in Wahnbek und dort gibt es seit einem Jahr auf einem Bauernhof eine Milchtankstelle. Das bedeutet, man kann dort von 6 - 22 Uhr problemlos Milch direkt vom Erzeuger kaufen. Ohne klingeln, ohne die Leute zu nerven und unter Einhaltung der Hygienevorschrift. Wer schon älteren Semesters ist, wird mitunter sagen: "Na ja, früher sind wir mit unseren Milchkannen zum Bauern und haben da direkt die Milch weggeholt!". Wir leben aber 2017 und in Deutschland und "direkt vom Bauern" ist heute oft gar nicht mehr machbar. Riesige Tanks als fast in sich abgeschlossene Systeme und diverse Vorschriften über "Vorzugsmilch" sorgen dafür. 



Dazu kommt, dass viele Landwirte das sowieso nicht mehr so gerne machen. Als Beispiel nehme ich mal den, wo früher unsere Ponys auf dem Hof standen. Der hat auch Milchvieh, ist Ausbildungsbetrieb und hat auch öfters mal Gruppen auf dem Hof, denen er die Landwirtschaft erklärt. Auch Schulklassen. Weil es eigentlich "dazu gehört" hat es früher dann auch immer "Milch direkt vom Hof" gegeben. 50 - 100 Meter vom Euter der Kuh bis zum Magen des Endverbrauchers.

Einmal kam danach das Gesundheitsamt. Eine Mutter hatte sich beschwert, ihrem Kind wäre es danach sehr schlecht gegangen, es hätte eine Salmonellenvergiftung gehabt und Schuld daran konnte ja nur die Kuhmilch sein. Also wurde mit einem riesen Aufwand alles getestet und überprüft - und es wurde nichts gefunden. Zumal auch andere Kinder von der Milch getrunken hatten und dann ja auch hätten krank werden müssen.  Das Ende vom Lied war, der Hof hatte viel, viel, viel Ärger - und Schuld war NICHT die Milch - sondern am gleichen Tag hatte es irgendwo Hähnchen gegessen. Und DAS war die Ursache dafür - nur kam das erst später heraus. Seit dem gibt es dort deshalb keine frische Milch mehr für Leute, die nicht zum Hofteam (oder zu persönlichen Gästen) gehören.



So, aber nun zur Milchtankstelle - die findet man in dem kleinen und schön geschmückten Häuschen. Es ist innen geteilt und im hinteren Bereich, unzugänglich für Besucher, befindet sich der Kühltank, der die Milch auf 2,5 Grad herunterkühlt. Im vorderen Bereich ist die Bedieneinheit mit Münzeinwurf und dem Zapfhahn hinter einer Klappe. Zudem gibt es Regale, auf denen dann auch mal bunte Sträuße oder selbstgemachte Marmelade angeboten werden, eine Pinwand, einen Hocker für die Kinder und viel Infomaterial. 



Beim zweiten Besuch war Nick mit, damit ich Fotos machen kann, wie die Milchtankstelle funktioniert. Praktischer Weise wurde dann gerade Silo gefahren - also Winterfutter für die Kühe hergestellt. Grassilage ist so ein bisschen wie "Sauerkraut für Kühe". Durch die Milchsäuregärung unter Luftabschluss bleibt das Gras lange haltbar. Nur wenn die Folie kaputt gemacht wird und das Grad anfangen kann zu schimmeln, dann wird es für die Kühe unbrauchbar, weil sie sich dann daran vergiften können. 

Die Milchtankstelle wird gut angenommen, denn dort bekommt man Milch so, wie sie aus der Kuh kommt - nur eben heruntergekühlt. Das nennt sich Rohmilch. Die Milch im Kühlregal beim Discounter ist Frischmilch. Die ist schon pasteurisiert, das heißt, sie wurde auf ungefähr 67 Grad erhitzt um einen Teil der Bakterien abzutöten, die in der Milch vorkommen. Dann bekommt man im Discounter noch Milch, die nicht im Kühlregal stehen muss - die ist "ultrahocherhitzt". Das bedeutet, diese Milch ist auf über 100 Grad erhitzt worden und damit faktisch totgekocht. So schmeckt sie für uns letztlich auch: totgekocht. Wenn so eine totgekochte Milch dann noch fettarm ist, ist sie faktisch "Schlabberwasser". Nicht unser Ding. Vielleicht fällt einem jetzt ein, dass auf solchen Milchverpackungen dann noch etwas steht: H-Milch. Das "H" steht für "homogenisiert" (und nicht für hocherhitzt!) - das bedeutet, die Milch mit ihrer jeweiligen Fettstufe von 1,5 oder 3,5 % wird in der Molkerei auf dem Weg in die Milchtüte durch ein ganz, ganz feines Sieb gedrückt. Dieses Sieb sorgt dafür, dass sich das Fett - also die Sahne, die im Normalfall als Flocken auf der Milchoberfläche absetzt - in ganz kleine "Kugeln" aufteilt die sich dann gleichmäßig in der Milch verteilen und sich nicht an der Oberfläche absetzen. Eben dafür, dass sich eine homogene (gleichmäßige) Flüssigkeit bildet. 

In der Milchtankstelle haben wir eine Flasche aus braunem Glas erstanden um darin die Milch abzufüllen. Die Flaschen werden nicht zurückgenommen und müssen dann halt zu Hause gründlich gesäubert werden, bevor neue Milch darin abgefüllt wird. Für den Liter Milch frisch vom Hof haben wir dann 1 Euro bezahlt. Natürlich ist das kein "Reingewinn", denn so ein Hof ja Unkosten und auch die Milchtankstelle selbst hat sicherlich einige tausend Euro gekostet - aber ich bin sicher, dass die Familie von jedem Euro, den sie für Milch aus der Milchtankstelle bekommt, mehr hat als wenn sie auch diese Milch noch an die Molkerei abgeben würde. Für einen Liter Milch, den ein Landwirt an die Molkerei verkauft, bekommt er je nachdem mit welcher Molkerei er einen Vertrag hat, ungefähr 23 - 28 Cent. Das ist total wenig, wenn man überlegt, wieviel die Bewirtschaftung eines Hofes kostet und dass er mit seiner Familie davon auch noch leben muss! 


Von daher ist es auch völlig irrelevant für den Landwirten, ob die Butter gerade teuer ist - dann das, was die Butter grad mehr als vor ein paar Monaten kostet, kassiert die Industrie. Auch die netten Facebookbilder "Teile dies, wenn du auch 1 Euro für einen Liter Milch bezahlen würdest, damit die Höfe überleben können" - ich glaube, die WENIGSTEN Leute, die das teilen, kaufen im Endeffekt tatsächlich dann die Milch, die mehr kostet. Wir bezahlen ohne zu Maulen auch gerne 1,09 Euro bzw. 1,19 Euro für regionale Frischmilch aus der Uckermark. Die kommt von Hemme-Milch, ist in netten Milchtüten und hat einen Fettgehalte von 3,8 %. Wobei - wir haben Rohmilch mit nach Neuruppin genommen und dann auch gleichzeitig Hemme-Milch gehabt: die Rohmilch war vom Geschmack her definitiv noch besser als es die Hemme-Milch im Vergleich zur regulären Frischmilch ist. Mitlerweile wurde mir dann mitgeteilt, wo ich hier Milchtankstellen finde: Bei Edeka in der Trenckmannstraße ist eine, in Gottberg gibt es eine und dann eine in Oberhavel. Cool.



Aber zurück zur Milchtankstelle, die wir besucht haben: Die hat eine eigene Facebookseite, (klick mich, ich bin ein Link). Überhaupt mag ich die Initiative "Milchland Niedersachsen" sehr, denn in dem Bereich gibt es viele tolle Sachen. So zum Beispiel auch "my kuhtube" (Klick mich, ich bin ein Link). Falls ihr hier in einem Laden die Tüten von Hemme-Milch findet - ich glaube, während der Weidesaison haben die vorne auf den Tüten ihren "Kuh-R"-Code. Also so ein Quadrat mit schwarzen und weißen "Frisseln" wie früher, wenn das Fernsehprogramm zu Ende war und nur noch Schnee im Schwarz-Weiß-Fernseher gekommen ist. Damit ihr nicht nur "Ganzweitweg" mal Kühe gucken könnt sondern auch "Vieldichterdran" hier der "Kuh-R-Code" (als Link, bitte anklicken). 

So, und nun mögen alle "die Kühe dürfen niemals raus" und "Scheiß Massentierhaltung" (was bitte ist das eigentlich genau in Zahlen definiert?)-Leute mich mal ganz beherzt...