Samstag, 28. April 2018

Gute Karten, schlechte Karten: In der märkischen Streusandbüchse

Ich hatte im vorletzten Beitrag ja von den Karten aus dem Dr. Bartels-Verlag geschrieben, die ich persönlich eher nicht so toll finde. Gestern waren wir dann spätnachmittags noch mal unterwegs. Auf der Karte, auf der ich dann jetzt noch Notizen mache, war an einer Stelle ein "Ding" eingezeichnet. Das wollte ich mal genauer ergründen:


In der Kartenlegende ist das "Ding" natürlich auch erklärt, und zwar mit "Wall". Auf Komoot, meiner digitalen Karte, ist an der Stelle eine Art Tempel als Zeichen. Zumindest bei der Android-Version. Auf dem Rechner ist dort in der Open-Street-Map dann eine Amphore eingezeichnet. Also war ich erst recht neugierig. Das mit den Fotos ist übrigens, weil ich die Tour gestern via Komoot aufgezeichnet habe.



Hier zeige ich euch mal den ganzen Kartenausschnitt - und wie gesagt, ich benutze sie für Notizen. Zum Beispiel um Orte zu markieren, die Fontane in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" erwähnt hat, Schutzhütten einzuzeichnen, falsche Wegeangaben durchzukreuzen und so weiter:



Die Gegend ist schon mal wirklich schön - und von der Autobahn sieht man eigentlich auch nicht so wirklich viel, falls da jemand Bedenken hat. Wir sind an einer Mutterkuhherde vorbei gekommen, wo die Tiere tatsächlich noch Hörner haben dürfen! Auch das möchte ich bei dem üblichen "Uuuuh.... Massentierhaltung, böööööse!" mal sehr lobend erwähnen. Wir haben Kraniche gesehen, Greifvögel und Feldlerchen. Die finde ich übrigens besonders beeindruckend, weil die im Flug ihre ganzen Liedfolgen zwitschern können. Andere Vögel können im Flug maximal rufen - wie die Kraniche und Gänse - aber eben nicht solche komplizierten Tonfolgen loslassen.



An einem umgestürzten Baum haben wir "die märkische Streusandbüchse" ganz gut nachvollziehen können. So wird die Gegend hier aufgrund des sandigen Bodens oft genannt. Die Baumwurzeln haben das Erdreich ja recht tief ausgehoben, als der Sturm den Baum umgehauen hat. Da ist dann nach einer dünnen Erdschicht letztlich auch nur noch Sand zu sehen. Fontane hat oft die "wüste Feldmark" beschrieben. Googelt man nach dem Begriff "wüste", wird einem erklärt, dass damit lebensunwerte Gebiete bezeichnet werden. Gebiete, in denen kaum etwas wächst, um sich und seine Leute dort vernünftig ernähren zu können. Das es mittlerweile anders ist, haben wir den ersten Siedlern zu verdanken, die angefangen haben, das Land urbar zu machen - und danach allen, die diese Arbeit fortgeführt haben um auf der "Streusandbüchse" Orte zu schaffen, die lebenswert sind.




So, zurück zu den Karten. Hier habe ich zwei Karten aus dem Dr. Bartels-Verlag, die sich in weiten Teilen auch überschneiden, mal nebeneinander gelegt:


Es wäre ja schön, wenn man sich im Verlag mal entscheiden könnte, was man eigentlich möchte. Aber je nach Karte, die ich zur Hand nehme, habe ich dann gefühlt die Version "bling-bling - Moment, an den Einhörnern arbeiten wir noch!" oder eben gefühlt die Version mit "Wir haben da mal Wege per Dartpfeil ausgewählt, keine Ahnung, ob die stimmen oder gut zu fahren sind, aber die sehen cool aus!". Übrigens sind dann auf einer Anschlusskarte, die dann gen Fehrbellin geht, auch Rettungspunkte samt ihren Nummern eingezeichnet. Hier nicht - denn genau in dem Kartenausschnitt befindet sich ein Rettungspunkt. Dort an der Abzweigung, wo ich den einen Weg durch"geixt" habe.

Ich verstehe, dass sich Karten im Laufe der Jahre entwickeln. In einem bestimmten Intervall sollten Karten neu überarbeitet und gedruckt werden, damit die neuen Straßen und Wege, Schutzhütten und so weiter auch darin gefunden werden können. Das machen andere Kartenverlage auch so - aber ohne halt gleich solche enorm krassen Unterschiede auf ein und dem selben Kartenausschnitt hinzulegen.

Ganz abgesehen davon, dass ich "Anschlusskarten",  die sich in weiten Teilen überlappen, auch fragwürdig finde.  Die Karten haben einen Maßstab von 1:50 000. Das bedeutet, 1 cm auf der Karte sind 500 Meter "in echt". Der Kartenausschnitt (Karte Rheinsberg, Neuruppin, Ruppiner Schweiz) ist unten  66 cm breit, das sind 33 Kilometer. Die Anschlusskarte Löwenberger Land, Lindow, Zehdenick ragt da rund 36 cm rein. Das sind 18 Kilometer. Allein seitliche Überschneidung. Dafür gibt es für andere Bereiche im Anschluss dann gar kein Kartenmaterial. Also solltet ihr je vorhaben, euch neue Wanderkarten auf Papier zu besorgen, guckt euch die Karten bitte genau an, bevor ihr zu Hause feststellt, dass ihr euch irgendwie voll verarscht vorkommt.

Immerhin... auf der "Bling-Bling"-Karte ist dann "Burgwall Netzeband" (klick mich, ich bin ein Link) eingetragen. Der ist - für Leute, die so etwas mögen - tatsächlich ganz beeindruckend. Anderen sehen halt nur einen Erdwall mit Bäumen drauf mitten in der Landschaft.




Dieser Erdwall ist vor etwa 900 (!) Jahren entstanden, als die Slawen dort eine Burg errichtet haben. Mit rund 130 Metern Durchmesser ist es sogar einen ziemlich große Burg gewesen, die dort in einem Moor-/Sumpfgebiet entstanden ist. Deshalb wird so eine Burgform auch Niederungsburg genannt, weil sie eben in niedrig liegendem Gelände gebaut wurde, dessen Umgebung oft genug auch so blöd zu erobern war, das schon die Gegend einen gewissen Schutz geboten hat.

Im Vergleich zu den Burgen, die aus Stein gebaut wurden, haben die Slawen zum Bau Holz und Erde benutzt - an ein Holzgerüst wurde Erde aufgehäuft, und damit entstand gleichzeitig ein Graben um die Burg. Heute ist das Gebiet ein Bodendenkmal - und die Natur hat es sich zurück erobert. Wenn ich mir die Bäume so anschaue - die verwurzelten Eichen und die Holundersträucher - dann leben dort neben vielen Tieren wohl nur noch Feen und Elfen.



























Donnerstag, 12. April 2018

Besuch in Oldenburg

Wir waren in der Woche nach Ostern in Oldenburg zu Besuch. Dort kommen wir ja eigentlich her und ich habe auch lange in der Stadt gelebt. Sie hat mit Neuruppin einige Dinge gemeinsam: Es gab einen großen Stadtbrand, bei dem viele Häuser vernichtet wurden. Sie hat eine Innenstadt mit Fußgängerzone und wirklich schöne alte Häuser. 

Davon möchten wir euch einfach mal ein paar zeigen, denn sie machen den Charme der Stadt aus, die - genau wie Neuruppin - regionales Oberzentrum (Nachtrag: Neuruppin noch nicht so ganz...) und Justizstandort ist. Mit dem Unterschied, dass sie über 100 000 Einwohner mehr hat. 

Alle Häuser sind in der Innenstadt von Oldenburg in der Fußgängerzone und oft Jahrhunderte alt. Manchmal auch mit ungefähr einem Jahrhundert dazwischen, wie auf dem oberen Bild. 



Auf dem folgenden Bild fällt der Unterschied nicht so krass auf, aber das Haus links ist eigentlich ein Fachwerkhaus, das irgendwann zur Straßenseite hin eine neue Front bekommen hat. Aber das ist auch schon ziemlich lange her...




Hier so ein wundervolles altes Haus in Vanillegelb mit reicher Stuckverzierung... davon haben wir in Neuruppin ja auch ein paar. Das sind echt Hingucker und Charmebolzen. Auch wenn der Denkmalschutz einen als Besitzer eines solchen Hauses echt in den Wahnsinn treiben kann: 


Und hier eines der bedeutendsten und ältesten Häuser der Stadt, mit dem Gemälde von Graf Anton Günther drauf: 

Richtig schön - oder? 









Okay, vielleicht wundert ihr euch, das die Fotos irgendwie "komisch" sind. Irgendwie fehlt auf denen doch etwas. 

Na ja, ich kenne Oldenburg jetzt bewusst seit etwa 45 Jahren. Seit ich 18 bin, habe ich die meiste Zeit in dieser Stadt gelebt und in der Zeit natürlich auch ihre Entwicklung bewusster mitbekommen. Nun bin ich 50 Jahre alt...jung...mittelalt.

Als die ersten kleinen Läden verschwunden sind, die viel, viel vom "alten Oldenburg" ausgemacht haben, war ich schon traurig. Spannhake, ein riesiges Bastelparadies hatte in einer Seitenstraße einen "Mitmachladen" mit einem richtig guten Kursangebot. Mit als Erstes ist der Mitmachladen verschwunden. Firma Pekol hatte den Oldenburger Busbetrieb und ein Reisebüro in der Stadt. Pekol - das war eine Institution. Die sind auch irgendwann verschwunden. Pelz Eisbein... weg nach der Wende. Zurück auf die alten Ländereien im Osten. De Hollander... WAS für ein wundervoller Laden voller Krimskrams und blinkendem Messing! Lauter kleine Scheiben wie in einer alten Schmiede... weg. 

Und immer dann, wenn das Alte, das, was Charme hatte, nicht mehr gut genug war, kam etwas Neues. So wurde aus einer Stadt voller historischer Häuser im klassizistischen Stil, eine Stadt die eine der ersten Fußgängerzonen überhaupt in Deutschland hatte...

ich könnte echt heulen... stellt euch vor, ihr wärt Krabbeltiere. Ameisen, Käfer und Co. Auf einem Friedhof voller glatter Grabsteine.  Auch gerne "Seelenrutschen" genannt. Im Endeffekt ist Oldenburgs Innenstadt aus Gier und Eitelkeit genau das geworden: Ein überdimensionaler Friedhof der Seelenrutschen-Fassaden. Glatt, hoch, tot. 

Noch ein Grund, nicht mehr zurück zu wollen. Alle zwei Jahre dort einmal durch die Innenstadt laufen, sich erdrückt vorkommen und entsetzt sein, was aus der Stadt geworden ist. Zu sehen, dass diese ganze verdammte Gier nach "das muss noch größer, noch mehr Fläche haben, noch moderner werden, wir brauchen dies, das und jenes... " dann eigentlich auch nur zu Leerstand führt, nachdem die Anfangseuphorie weg ist, das reicht. 



Das Haus mit dem Grafengemälde von vorne:


Ich habe erst gesagt, ich würde denen mal unsere Denkmalschützer gönnen. Aber ich habe überlegt, das die da auch nichts mehr machen könnten. Da ist schon viel zu viel kaputt gemacht worden. Ne, wir brauchen die hier. Auch wenn die mitunter ganz schön nerven können, wenn man ein altes Gemäuer hier hat und manchmal durchaus zu streng sind. Aber wir brauchen die tatsächlich hier. Denn sie verhindern so lange sie es können, dass Neuruppin zu einem Friedhof der Hausfassaden verkommt: