Sonntag, 25. Dezember 2022

Massentierhaltung und Tierschutz / Teil 4, Warum aus Tierschutzsicht Tierschützer das größte Problem sind...

Tatsächlich gehören zu den größten Probleme bei Massentierhaltung unter Tierschutzgesichtspunkten gesehen sehr oft vermeintliche Tierschützer und Umweltaktivisten, die bei ihren Argumenten letztlich „Rosinenpickerei“ betreiben, sich also nur heraussuchen, was ihnen argumentativ in den Kram passt und alles Andere nicht berücksichtigen.

Es ist definitiv verkehrt, menschliche Bedürfnisse und menschliche Empfindungen irgendwie geartet auf Tiere zu übertragen, so nett, romantisch und verklärt das auch sein mag! Das ist auch ethisch nicht korrekt. Warum?

Die Autorin des Studienheftes hat die Systematik der Lebewesen erklärt. In Aufgabe 1.1 erklärt sie, dass Tüpfel-Hyäne und Wolf beide ein Fell, Milchdrüsen und das gleiche sehr typische Gebiss der Fleischfresser bzw. Raubtiere haben, aber keine gemeinsamen Nachkommen zeugen können. Danach hat sie drei Aussagen zur Wahl gestellt, aus denen man die richtige Antwort auswählen soll. Diese lautet: „Hyänen haben mit dem Wolf das Raubtiergebiss gemeinsam, sie gehören daher beide zur gleichen Ordnung“.

Das sind die Carnivoren. Dazu gehören auch Katzen. Die Tiere der Ordnung Carnivoren haben viele Ähnlichkeiten und oft auch weitestgehend ähnliche Bedürfnisse, je nach Lebensraum. Schweine gehören zur Ordnung der Artiodactyla, der Paarhufer. Zu dieser Ordnung gehören auch Rinder, Schafe, Ziegen und Kamele. Sogar Giraffen und Flusspferde gehören dazu. Überwiegend sind Paarhufer Pflanzenfresser. Affen gehören zur Ordnung der Primaten. Genau wie der Mensch. Carl von Linne ordnete den Menschen der Familie der Menschenaffen zu. Diese Familie hat vier Unterarten: Gorillas, Homo (Menschen), Orang und Schimpansen, zu denen auch die Bonobos gehören.

Patricia McConnell ist Verhaltensforscherin und beschreibt in ihrem Buch „Das andere Ende der Leine“ (Kynos Verlag) anhand ihrer Forschung mit Bonobos die Unterschiede zwischen Primaten und Caniden (Hundeartige) ganz hervorragend und vor allem wissenschaftlich fundiert.

Selbstverständlich haben Tiere Gefühle. Das streitet vom Grundsatz her niemand ab. Sie können Schmerz empfinden, traurig sein und sich freuen. Sie haben auch Bedürfnisse. Darunter fallen artspezifisches Futtern und artspezifische Sozialkontakte. Es ist elementar wichtig zu beachten, was ein Tier aufgrund seiner Art und Züchtung tatsächlich benötigt. So liegen Schweine gerne auch auf kaltem Boden, damit sie ihre Körperwärme besser ableiten können. Deshalb bekommen Schweine in der Massentierhaltung nur wenig Stroh, denn es ist eher Beschäftigungsmaterial. Das sieht man oft auch bei Aktivstallschweinen, die in ihrer Gruppe verschiedene Bereiche zur Verfügung haben (Quelle: aktivstallfürschweine.de )

Aber es ist völlig verkehrt, den Tieren darüber hinaus alle möglichen menschlichen Bedürfnisse und Begehrlichkeiten zuzuschreiben, weil wir Menschen als Homo sapiens das brauchen! Das ist auch wissenschaftlich gesehen nicht in Ordnung und führt immer wieder zu erheblichen Problemen.

Werden Pflanzen und Tieren menschliche Eigenschaften zugeschrieben, nennt sich das Anthromorphismus. (Quelle: „Schülervorstellungen im Biologieunterricht, Ursachen für Lermschwierigkeiten“, Hammann/Asshoff, Klett-Kallmeyer Verlag).

Vermeintliche Tierschützer/Tierrechtler sind auch dann für die Massentierhaltung ein Problem, wenn sie – wie in den Niederlanden vor ein paar Jahren passiert - mit fraglichen Motiven in Ställe einbrechen um auf vermeintliche Missstände hinzuweisen. Natürlich kann es sein, dass die Tiere in diesen Ställen mitunter tatsächlich tierschutzwidrig gehalten werden – aber in den Niederlanden haben ausgerechnet Tierschützer/-rechtler dafür gesorgt, das ein kompletter Bestand wochenlang unter Quarantäne gestellt werden musste, weil sie den Stall besetzt haben und der Verdacht bestand, dass ansteckende Krankheiten eingeschleppt worden sind. (Quelle: https://www.agrarheute.com/tier/schwein/update-boxtel-64-tierschutzaktivisten-angeklagt-553946).

In Hakenberg/Brandenburg haben Tierschützer eine Kamera im Schlachthof angebracht. Darauf war zu sehen, wie ein Tier nicht fachgerecht von den Hilfskräften getötet wird. Das ist ärgerlich und tierschutzwidrig. Aber anstatt das sofort mit dem Betreiber und den Ämtern zu klären, wurde es medial an die große Glocke gehängt. Damit wurde ein kleiner Schlachthof, der ansonsten wirklich tiergerecht gearbeitet hat und z. B. die von Temple Grandin (Amerikanische Verhaltensforscherin mit Autismus, hat sich auf Rinder spezialisiert und u. a. Für die Erzeugerbetrieben und Schlachthöfe von Mc Donalds strenge Richtlinien zur Tierhaltung und Schlachtung entwickelt, (siehe das Buch „Ich sehe die Welt wie ein buntes Tier“ von Temple Grandin) geforderten runden Treibgänge gebaut. (Selbst gesehen, als ich dort war).

Dieser kleine Schlachthof war für fast alle Landwirte im Umkreis tierschonend und ohne Stress für die Tiere auf kurzem Weg zu erreichen. Der Betreiber hat sich entschlossen,nie wieder aufzumachen „das würde er sich nicht noch einmal antun“.(Quelle; www.maz-online.de/lokales/ostprignitz-ruppin/fehrbellin/hafleg-hofladen-ist-wieder-offen-schlachten-werden-wir-definitiv-nicht-mehr-ZBPOXOC276224GHZ2FKFU57DTU.html ) Die Folge war dann für viele Schlachttiere, dass sie über 100 Kilometer zu einem Großschlachthof gekarrt werden mussten, wo am Tag ein paar tausend Tiere getötet werden – was für die Tiere dann letztlich weit mehr Stress bedeutet hat.

Geradezu ad absurdum wird von vermeintlichen Tierschützern und Tierrechtlern jegliche Nutztierhaltungsdiskussion genau an dem Punkt geführt, wenn es um „Wir sammeln Futterspenden für Tierheim XYZ“ geht. Denn genau dann scheint ja eine Massentierhaltung völlig in Ordnung zu sein und Hersteller wie Mars, (Übersicht der Marken von Mars Petfood: https://deu.mars.com/hergestellt-von-mars/mars-petcare?language_content_entity=de) die ihr tierischen Bestandteile möglichst günstig einkaufen – also von Großschlachthöfen oder Tierverwertern - und bis zur Unkenntlichkeit extrudieren, sind geradezu „Helden der Tierwelt“, wenn sie letztlich ihre Tierfuttermittel gleich palettenweise an Tierheime oder Tiertafeln ausliefern. Mars-Petfood arbeitet mit dem Deutschen Tierschutzbund zusammenarbeiten und wirbt damit, dass jedes Tier ein glückliches Leben haben soll. (Quelle: https://www.cz.de/celler-land/wietze/spendenchallenge-fuer-celler-tiere-not-wietzerin-fordert-pedigree-zu-spendenchallenge-fuer-tierheime-heraus) . Das es allein bei der Produktion von Hunde- und Katzenfutter nicht um relativ geringe Mengen Fleisch geht, sollte man begreifen, wenn man die Zahl 1.614 000 sieht. So viele TONNEN Hunde- und Katzenfutter wurde in Deutschland im Jahr 2020 industriell hergestellt. (Quelle: https://www.foodunfolded.com/de/artikel/nachhaltige-haustiernahrung).

Dabei kommt ein Teil des Tierfuttergrundmittels aus Friesoythe, nämlich von der Tiermehlfabrik in Kampe, wo aus toten Tieren und Schlachtabfällen neue Produkte werden. (Quelle: https://www.ofk-kampe.de/produkte.html mit informativem Imagefilm)

Es ist richtig und wichtig, dass Mißstände aufgezeigt werden, egal ob in Massentierhaltung oder in kleineren Betrieben. Aber es ist immer zu prüfen, ob es wirklich ein Missstand ist – und was man tatsächlich langfristig zum Schutz von Tieren erreicht, wenn man so etwas erst einmal medial ausschlachtet, weil so etwas Aufmerksamkeit und letztlich auch Geld generiert.

Wenn pro Jahr in Deutschland zum Beispiel 20 Betriebe durch die Medien gezogen werden, bei denen es erhebliche Missstände gibt, dann liegt diese Anzahl im Bereich von 0,01 Prozent. Alle die Betriebe, die in den letzten Jahrzehnten den Auflagen für mehr Tierschutz gefolgt sind und richtig viel Geld investiert haben, die sind für die Boulevardmedien meistens total unattraktiv, weil man mit schlechten Nachrichten einfach viel mehr Aufmerksamkeit und damit Geld bekommen kann.




Freitag, 23. Dezember 2022

Massentierhaltung und Tierschutz / Teil 3, in dem ich Demeter hinterfrage

 Teil 3 beschäftigt sich mit dem letzten Absatz über Massentierhaltung, der in dem Studienheft ist. Darum geht es um die Behauptung, dass wer ein hohes Maß an artgerechter Tierhaltung möchte, der sollte beim Einkauf von tierischen Produkten auf Gütesiegel achten. Im Normalfall wären das auch Biosiegel und Demeter sowie Naturland hätten die strengsten Richtlinien.

Mittlerweile gibt es eine ganze Menge von „Gütesiegeln“ und für den Verbraucher wird es langsam unübersichtlich, welche Vorgaben nun eigentlich was bedeuten. Grundsätzlich bedeutet es für einen landwirtschaftlichen Betrieb aber immer auch einen zusätzlichen Kostenfaktor, einem speziellen Verband anzugehören und das sind nicht unerhebliche Summen.

Wer blindlings glaubt, das Demeter das strengste und beste Siegel ist und sich nicht mit dem Verband und seinen Vorgaben beschäftigt, der übersieht dann, dass die Heilbehandlung von Tieren auf Demeter-Höfen in vielen Fällen durch wirkungslose Globuli besteht. Fakt ist: erkrankt ein Demeter-Nutztier, darf es in vielen Fällen im Vergleich zu Tieren aus anderen Haltungsformen weiter Schmerzen erleiden, weil es homöopathisch behandelt wird. (Quelle: https://www.demeter.de/biodynamisch/tierhaltung/gesundheit). Wenn Ärzte und Wissenschaftler in der Humanmedizin zu Hauf bestätigen, dass „Homöopathie nicht über den Placeboeffekt hinaus wirkt“ (Quelle: https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/homoeopathie-wissenschaftlich-nicht-nachvollziehbar/) und selbst die DHU (Deutsche Homöo(Qupathische Union) nie konkret eine Antwort darauf gibt, welche wissenschaftlichen Studien die Wirkung von Globulis denn bestätigen (Quelle: swr-Doku „Homöopathie, Heilung oder Humbug? https://www.youtube.com/watch?v=NrhpKNebaKo)– wie soll dann ausgerechnet ein Tier auf so etwas wie ein Placeboeffekt hereinfallen, wenn es weder weiß, was es bekommt, noch versteht, warum es etwas bekommt?

Ganz konkret bedeutet es, dass ein Tier, das von einem Demeter-Landwirten aus dessen Glauben an die Wirkung von Homöopathie Globulis z. B. gegen Schmerzen bekommt, weiterhin diese Schmerzen erleiden muss und die sich ggf. sogar noch verschlimmern, weil irgendwer an nicht bewiesene Heilkräfte von Zucker bei Tieren glaubt. Ist das dieses „Artgerecht“ oder „Tierwohl“?

Ebenso wird gerne übersehen, das in den Vorgaben des Demeterverbundes auch steht, mit was gedüngt werden darf. Unter anderem mit dem Schwermetall Kupfersulfat oder Zink. Das setzt kein anderer Landwirt noch ein, weil es Bodengifte sind und sich in den Pflanzen anreichert. Demeter schwört darauf. (Quelle: Demeter Betriebsmittelliste 2021).

Geradezu harmlos sind da noch die verbuddelten „Kacke-Hörnchen“ die kosmische Kräfte aufsammeln sollen (Quelle: Demeter, Biodynamische Präperate). Letzteres ist Glaubenssache, aber auf konventionelle Landwirte schimpfen und selbst mit Schwermetallen düngen, die den Boden vergiften, Bodenleben abtöten und sich in Lebens- und Futtermitteln anreichern? (Quelle: https://www.welt.de/wissenschaft/article3228140/Biobauern-spritzen-Schwermetalle.html)

Der Ertrag von Demeter-Höfen ist 25 % dessen, was ein vergleichbarer konventioneller Hof an Lebensmitteln erwirtschaften kann. Andere Biohöfe die rein biologisch wirtschaften, stehen nicht viel besser da. Was für fatale Auswirkungen es haben kann, wenn es überall nur noch biologische Landwirtschaft gibt, sieht man derzeit an Sri Lanka (Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/sri-lanka-verfehlte-oeko-wende-verschaerft-die-krise-im-land-17970410.html).


Mittlerweile kenne ich einige Höfe, die für keinen Verband mehr arbeiten, weil es einfach so exorbitant viel Geld kostet. Andere haben deshalb von vorneherein gesagt: Lohnt sich nicht. Wir arbeiten ohnehin mit "so viel Chemie wie nötig, so wenig wie möglich!" - das ist voll in Ordnung. Im Hinterkopf sollte man auch immer behalten, dass wir in Deutschland rund 83 000 000 - also Dreiundachtzig Millionen - Einwohner haben. Das bedeutet, dass wir für jeden ausreichend Nahrung brauchen - es sich aber viel einfacher in kleineren Mengen vorstellen lässt. Wenn es rund 6 % Veganer im Land gibt, dann ist es für diese Gruppe total leicht, sich vorzustellen, wie einfach es doch ist, wenn jeder Mensch auf Fleisch verzichten würde, die gucken sich in ihren Kreisen um, in ihren Familien - und wenn man "alles in bio" auf nur wenige hundert Menschen bezieht, ist es nun einmal einfach. Aber für Millionen ist das eine unfassbare Menge an Lebensmitteln, die jeden Tag benötigt werden. 

Donnerstag, 22. Dezember 2022

Massentierhaltung und Tierschutz / Teil 2

 Weiter geht es mit meiner Antwort auf die Aufgabe, "Probleme der Massentierhaltung aus Tierschutzsicht zu beleuchten":


Müssen bei Geflügelpestverdacht im Stall bleiben: Freilandhühner des Familienbetrieb Meiners,
Spannharrenstätte. Die haben übrigens eine riesige Außenfläche mit Windkraftanlage, altem Baumbestand und darin lebenden Greifvögeln!

Dann ging es um die Käfighaltung oder ausschließlicher Stallhaltung und es wurde kritisiert, dass die natürlichen Bedürfnisse der Tiere nicht in ausreichendem Maße befriedigt ewrden können und dass es dadurch schnell zu gesundheitlichen Problemen kommt. Ebenso wurde aufgezählt, was Tiere aus nicht artgerechter Haltung als Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes dann aufweisen: lückiges Gefieder oder Fell, schlechter Gesundheitszustand, Magerkeit oder Fettleibigkeit und aggressives Verhalten.

Käfighaltung von Hennen ist EU-weit seit 2012 verboten. Die artgerechten Bedürfnisse der Nutztiere werden von Fachleuten festgelegt und sind auch mit den entsprechenden Stallgrößen, dem Stallklima, Einstreu, Hygiene, Beleuchtung, Mindestfenstergröße etc. Vorgeschrieben. Dazu findet man zu jeder Nutztierrasse etwas in der TierSchNutztV. Je nach nachdem, ob der Betrieb einem Verband angehört, sind auch vom entsprechenden Verband aus Stallgrößen, Tierzahlen etc. geregelt und werden regelmäßig (für viel Geld) überprüft.

Ein Betrieb mit Tieren, wie oben beschrieben, arbeitet eindeutig tierschutzwidrig, wobei auch hier völlig egal ist, ob es ein Nutztierbetrieb mit tausenden von Tieren ist oder ein kleiner Hof. Da auf großen Höfen der Großvieh-Tierarzt öfters kommt, allein schon wegen der Vorsorge und der Seuchengefahr, fallen kleinere Betriebe da sogar viel eher durchs Raster.

Bestes Beispiel ist die „Geflügelpest“. Hier in der Gegend sind regelmäßig Beobachtungsgebiete mit Schildern an den Straßen ausgewiesen.

Erkrankt ein Tier auf einem Großbetrieb daran, weil zum Beispiel ein kleiner Wildvogel sich in den Stall mit den Legehühnern verirrt hat, der das Virus in sich trägt, wird der komplette Bestand gekeult. Ob nun alle Tiere erkrankt sind oder nur ein paar spielt keine Rolle. Dann rollen die LKW´s von der Tiermehlfabrik an und Mitarbeiter in Vollschutz töten alle Tiere. Das geht bei tausenden von Tieren am effektivsten in einem Wasserbad, das unter Strom gesetzt wird.

Der komplette Stall muss geräumt, gründlich desinfiziert werden und bis der ehemalige Bestand wieder erreicht ist, fehlen Einnahmen, die durch die Tierseuchenkasse nur zum Teil ersetzt werden. Die laufenden Kosten bleiben aber und summieren sich durch die notwendigen Maßnahmen noch weiter. Vor einigen Monaten hat es ausgerechnet den Betrieb erwischt, der „Tierwohl-Puten“ hält und von dem wir schon Fleisch direkt bezogen haben. Im Amtsblatt sieht das dann so aus: https://www.lkclp.de/lib/files/4b5w26djmmxwc7tAnfrwyzjpg3yt2l62n8rxk6lfnz5hglzrgy6d3mzvh2yt4my/amtsblatt_060_2022_09_28.pdf

Ist es nicht geradezu logisch, welcher Nutztierhalter extrem darauf achtet, dass seine Tiere gesund bleiben und er sich sehr darum kümmert, alle Vorgaben zu erfüllen? Denn die Meldepflicht eines Seuchenverdachtes umfasst laut Tiergesundheitsgesetz so ziemlich jeden, der irgendwie mit den Tieren zu tun hat. Vom Inhaber über Mitarbeiter, vom LKW-Fahrer – egal ob für Futtermittel oder Schlachtbetrieb, bis zum Schlachthof. Sogar Naturpfleger haben einen Seuchenverdacht zu melden, wenn sie im Rahmen ihrer Arbeit ein verdächtiges Tier finden. (TierGesG § 4 (2)). D. h. Ich bin zwar keine Naturpflegerin, aber verendete Vögel „die mir komisch vorkommen“ und die nicht durch LKW`s durch Luftwirbel getötet wurden, melde ich der unteren Naturschutzbehörde vom Landkreis. Die kümmern sich dann darum. Gleiches würde ich auch mit Wildschweinen machen.

Wie es den Hühnern aus Nachbars Garten geht, ob die trotz Stallpflicht artgerecht gehalten werden oder verhaltensauffällig werden wird nicht kontrolliert. Oder eben nur, wenn jemand ihn konkret anzeigt.

Es ist aus Tierschutzgründen oft gar nicht möglich, Nutztieren wie Geflügel oder Schweinen Freilandhaltung zu bieten, da bei drohender Geflügelpest das Geflügel im Stall bleiben muss. und der hat so dicht abzuschließen, dass sich kein Wildvogel darin verirren kann. Deshalb haben viele Betriebe schon „Verandas“ gebaut, wo die Tiere in einem kleineren Außenbereich sind, aber dichte Netze dafür sorgen, dass sie von Wildvögeln getrennt sind. (Darüber berichtet u. a. Familienbetrieb Ostermann auf seiner Facebookseite).

Freilandschweine müssen so gehalten werden, dass kein Wildschwein zu ihnen Kontakt aufnehmen kann. Wildschweine sind durchaus in der Lage, über 90 cm hohe Zäune zu springen, wie Beobachtungen sowohl in Berliner Vororten als auch an der Grenze zwischen Polen und Deutschland in Brandenburg gezeigt haben. In Brandenburg gab es deshalb die Forderung nach zwei Zäunen mit einem Sicherheitsabstand um die Weiden für Freilandschweine. Grundsätzlich sind Schweinehalter aufgefordert, alles, was mit ihrer Schweinehaltung zu tun hat, gut und wildschweinsicher einzuzäunen und ein hohes Maß an Hygiene einzuhalten. Quelle: https://www.lwk-niedersachsen.de/lwk/news/36475_ASP_vor_den_Toren_%E2%80%93_Informationen_zur_Biosicherheit

Auch hier zitiere ich noch einmal das TierGesG § 3 „Wer Vieh oder Fisch hält, hat zur Vorbeugung von Tierseuchen und zu deren Bekämpfung 1. Dafür zu sorgen, dass weder Tierseuchen in seinen Bestand eingeschleppt noch aus seinem Bestand verschleppt werden...“.


Das war der 2. Streich und der 3. folgt... 

Was aber durchaus schon ersichtlich ist, dass es grundsätzlich bei Tierhaltung - und das völlig egal ob privat, auf einem kleinen Hof oder in einer Intensivtierhaltung - nicht immer einfach ist, wenn man sagt: "Verstößt gegen den Tierschutz!". Also zumindest dann nicht, wenn man es TATSÄCHLICH sachlich und fundiert und nicht emotional-unsachlich und diktatorisch diskutieren möchte. Auf Twitter habe ich mir einen fundamentalistischen Veganer "eingetreten", der gerne darüber lamentiert, wie schlimm Nutztierhaltung in Deutschland doch ist, alles Tierquäler. Aber seinen Hund, der nun einmal ein Carnivore ist und zu dessen artgerechter Ernährung deshalb Fleisch gehört, ernährt er vegan. Ernährung ist sehr komplex. Selbstverständlich kann man sagen: ich ersetze tierisches Eiweiß durch pflanzliches Eiweiß - aber das tierische Eiweiß ist vielleicht genau deshalb da, weil es ein bisschen ANDERS wirkt als pflanzliches Eiweiß und dem Körper deshalb Dinge bieten kann, die er dringend benötigt, auf pflanzlicher oder chemischer Basis aber nicht zu bekommen sind. 

Damit verstößt er selbst gegen das Tierschutzgesetz, indem er die ARTGERECHTE Ernährung seines Tieres missachtet. Mittlerweile gibt es auch eine Studie über die vegane Ernährung von Hunden - und die besagt ganz klar, dass Hunde, deren Futter einen hohen Anteil von Hülsenfrüchten etc. beinhaltet, viel häufiger Herzprobleme bekommen. Denn das Herz vergrößert sich, aber der Durchfluss vom Blut verringert sich. Das ist für den Hund nicht lustig, denn er wird über kurz oder lang massiv in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Meistens fällt er irgendwann tot um, zum Beispiel wenn das Wetter sehr warm ist - oder wenn man gnädig ist, lässt man ihn einschläfern. 

Ich bin sicher, dieser Veganer wird es weit, weit von sich weisen, dass er seinen Hund nicht artgerecht und gut hält. Dass er sein Tier liebt und ganz bestimmt nicht gegen den Tierschutz verstößt und viele Argumente finden, warum man ihm glauben muss, das ER alles RICHTIG macht, aber ANDERE grundsätzlich alles falsch machen und nur lügen, wenn sie sagen, dass es nicht stimmt, dass ihre Tiere schlecht behandelt werden. 

Deshalb ist es eben ganz gut, wenn man als Grundlage Tierschutzgesetze und entsprechende Leitlinien zur Umsetzung hat. 




Massentierhaltung und Tierschutz / Teil 1

Im letzten Blogbeitrag habe ich ja gepostet, wie ich die Aufgabe, zu erklären, wie sich in Deutschland die Massentierhaltung entwickelt hat, beantwortet habe. Ab hier poste ich einen größeren Teil meiner Antwort zur Aufgabe:  "Erörtern Sie die Probleme bei der Massentierhaltung unter Tierschutzgesichtspunkten!". Das habe ich sehr gerne getan ;-) . Da meine Antwort epische Ausmaße hatte, habe ich sie für den Blog etwas verkürzt und teile sie in mehrere Beiträge auf.

Grundsätzlich muss erst einmal klar gestellt werden, wer bestimmt, was eigentlich Tierschutz ist! Deutschland hat ziemlich strenge Tierschutzgesetze, die durch Verordnungen, Leitlinien etc. in den verschiedensten Bereichen ergänzt werden. Diese beziehen sich auf die tatsächlichen Bedürfnisse einer Tierart und wurden von ausgebildeten und studierten Fachleuten erstellt.

Um „Probleme bei der Massentierhaltung“ aus Tierschutzsicht zu erörtern sind daher als Grundlagen

a) das Tierschutzgesetz (TierSchG), das gibt es seit 1972,

die letzte Änderung war 2021

www.gesetze-im-internet.de/tierschg/TierSchG.pdf


b) die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV),

diese gibt es seit 2001, letzte Änderung war 2021

www:gesetze-im-internet.de/tierschnutztv/BJNR275800001.html

c) die Tierschutztransportverordnung (TierSchTrV), die es seit 2006 gibt,

    letzte Änderung 2015.

    www.gesetze-im-internet.de/tierschtrv_2009/BJNR037500009.html

d) Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) von 2013, letzte Änderung 2021

www.gesetze-im-internet.de/tiergesg/BJNR132400013.html

e) die Tierschutzleitlinien des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz LAVES

(die gibt es für jede Nutztierrasse) folgend „LAVES-Leitlinie“ www.laves.niedersachsen.de/startseite/tiere/tierschutz/tierhaltung/rinder/tierschutzleitlinie-fuer-die-mastrinderhaltung-162378.html

zugrunde zu legen.

Ich habe alle im Lernheft aufgeführten Argumente warum die Massentierhaltung schlecht ist, also auf Grundlage der Tierschutzgesetze und gültigen Leitlinien überprüft.

Ebenso wird ein bisschen mehr „Drumherum“ erklärt, damit es nachvollziehbarer ist.

Als Erstes wurde kritisiert, dass zu viele Tiere auf zu kleiner Fläche für die Tiere eine Belastung sein kann.

Natürlich kann es immer mal vorkommen, dass einzelne Tiere ein Problem in ihrer Gruppe haben und mehr Individualabstand oder Beschäftigung benötigen – oder eben separiert werden müssen, wenn gar nichts anderes hilft. Allerdings hat sich in der Stallhaltung und Nutztierforschung mittlerweile eine ganze Menge geändert, was auch in die Tierschutzgesetze eingeflossen ist. So ist eine Käfighaltung, wie sie früher üblich war, schon seit 2012 EU-weit verboten. Nutztiere sollen in einer für sie angenehmen Atmosphäre ohne Dauerstress leben (§ 3.2, § 4.8 TierSchNutztV).

Da die oben genannte Tierschutzleitlinie die Gesetzestexte sehr gut interpretiert, zitiere ich die Vorgaben daraus: „Belastungssituationen und Stressfaktoren, die zu einer Erkrankung führen, müssen vom Tierhalter erkannt und umgehend beseitigt werden...“ (LAVES-Leitlinie, Seite 9)

Es ist also entgegen der Darstellung im Heft kein spezifisches Problem der Massentierhaltung.

Dann wurde behauptet, dass viel Überwachung der Tiere durch Tierärzte  ein großer Aufwand wäre. Es würden schon im Vorfeld Medikamente gegeben, die später aufgrund von Resistenzen wirkungslos wären. Ebenso wurde erklärt, dass gestresste Tiere sich selbst oder ihre Artgenossen zu verletzen, wie Federn ausreißen oder Schwänze abbeißen.

Satz 1: „Viel Überwachung durch Tierärzte ist ein großerAufwand“. Ich weiß ja nicht, woher die Autorin ihre Informationen bezieht, aber zum Einen ist laut TierSchNutztV die gesundheitliche Überwachung der Tiere wie folgt geregelt (die LAVES-Leitlinie hat den § 4.2 ff auf Seite 13 gut erklärt) Zitat: „Das Befinden der Tiere muss bei Stallhaltung mindestens zweimal täglich durch direkte Inaugenscheinnahme, die Funktionsfähigkeit der technischen Einrichtung mindestens einmal täglich überprüft werden. Soweit notwendig ist eine Behandlung kranker Tiere einzuleiten und eine Absonderung in geeignete Haltungseinrichtungen mit trockener und weicher Einstreu oder Unterlage vorzunehmen. Sind die Sofortmaßnahmen wirkungslos ist umgehend ein Tierarzt hinzuzuziehen.“

Die „Initiative Tierwohl“ fordert in ihrem Kriterienkatalog sogar eine intensivere tierärztliche Betreuung der Tiere eines teilnehmenden Betriebes! Quelle: https://initiative-tierwohl.de/tierhalter/rindermaester/

Das gilt grundsätzlich für jede Betriebsform, ob kleiner Stall oder Intensivhaltung Es ist also völlig unerheblich, wie viele Tiere ein Landwirt hat, auch bei einem kleineren Betrieb müssen die Tiere angemessen kontrolliert und bei Bedarf tierärztlich versorgt werden. Das ist praktizierter Tierschutz und kein „Problem der Massentierhaltung“. 

Satz 2 Es würden schon im Vorfeld Medikamente gegeben, die später aufgrund von Resistenzen wirkungslos wären.

Hier die tatsächlichen Fakten (erneut aus der LAVES-Leitlinie, Seite 9) Zitat: „Jeder, der ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, ist verpflichtet, es angemessen zu pflegen (§ 2.1 TierSchG). Dazu zählen neben der Heilbehandlung im Krankheitsfall auch die Gesundheitsvorsorge einschließlich der Bekämpfung von Endo- (Innen-) und Ektoparasiten (Außenparasiten) sowie Hautpilzen und erforderlichenfalls die Impfung der Tiere.“

Das Tiergesundheitsgesetz schreibt dazu unter § 3: „Wer Vieh oder Fisch hält, hat zur Vorbeugung von Tierseuchen und zu deren Bekämpfung 1. Dafür zu sorgen, dass weder Tierseuchen in seinen Bestand eingeschleppt noch aus seinem Bestand verschleppt werden...“.

Das heißt, dass den Tieren nur die tatsächlich erforderlichen Medikamente gegeben werden, denn – LAVES-Leitlinie, Seite 10, Zitat: „Zur Pflege der Tiere gehört neben der Heilbehandlung im Krankheitsfall auch die Gesundheitsvorsorge...“ .

Ebenso weise ich gerne auf die Tatsache hin, dass, Zitat: „Routinemäßiger bzw. systematischer Einsatz von Medikamenten, die schlechte Hygienebedingungen oder Managementfehler kompensieren oder auch Anzeichen von Schmerzen und Leiden verschleiern soll, ist unzulässig. Grundsätzlich sind vorsorgliche Impfungen einer späteren Behandlung vorzuziehen.“ (LAVES-Leitlinie, Seite 13).

Antibiotikaresistente Erreger kommen selbstverständlich vor. Aber laut RKI „Grundwissen Antibiotikaresistenz“ sorgt jeder Einsatz von Antibiotika dafür, dass sich Resistenzen bilden. Also auch Kliniken selbst oder Ärzte, die bei Virenerkrankungen wirkungslose Antibiotika verschreiben.

Laut Ärzteblatt verlassen 80 % der Patienten, die wegen einer Erkältung zum Arzt gehen, mit einem Rezept für Antibiotika die Praxis, obwohl ihre Erkrankung auf einen Virusinfekt beruht. (https://www.aerzteblatt.de/archiv/18083/Therapieentscheidung-wider-besseres-Wissen-Warum-Aerzte-gegen-Viren-mit-Antibiotika-vorgehen).

Polemisch erklärt: „Horst-Hugo und Luise-Chantalle lästern zwar gerne über ihre „Antibiotika-Schnitzel“ und das „Antibiotika-Hühnchen“, holen sich aber jedes Jahr bei einer Erkältung brav die Rezepte für Antibiotika vom Arzt“. Ähnlich bei Krebspatienten, die bekommen vorbeugend Antibiotika in letztlich unglaublicher Menge. Mein Sohn hat zwei Krebserkrankungen mitgemacht und in deren Verlauf geschätzt mindestens einen Liter Antibiotika wie „Cotrim“ genommen. Noch eine Woche vor seinem Tod hat er über mehrere Tage eine Antibiose bekommen, um Entzündungswerte und Lebensqualität zu bessern.

Selbstverständlich wird aber Landwirten die Schuld in die Schuhe geschoben, die das nicht vorsorglich geben dürfen und die jede Medikamentengabe im Bestandsbuch zu dokumentieren haben, so dass bei jedem einzelnen Tier, das eindeutig durch die Nummer seiner Ohrmarke zu identifizieren ist, genau geschaut werden kann, welche Medikamente es bekommen hat und ob ggf. Sperrfristen einzuhalten sind, in denen die Milch nicht verwendet werden oder in der es nicht geschlachtet werden darf. (TierSChNutztV § 4 (2) )

Entsprechend ist Gesundheitsmanagement und bei Bedarf tierärztlicher Einsatz kein Problem – egal bei welcher Form der Tierhaltung, sondern ebenfalls praktizierter Tierschutz und die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben im Tierschutz.

Würde zum Beispiel die Behandlung gegen Parasiten ausbleiben, könnte ein Befall bei Schweinen einen so massiven Juckreiz und so hohes Stresslevel erzeugen, dass sie sich die Schwänze wundscheuern und anfangen, sich zu beißen. Also genau das machen, was gleich nach „es werden vorsorglich Medikamente gegeben“ angeprangert wurde.  Schnabelpicken kommt in den heutigen großen Hühnerställen deutlich weniger vor, weil das Stresspotential durch die Käfighaltung kaum noch vorhanden ist.  


Soweit erst einmal Teil 1, wem es jetzt in den Fingern juckt, mit "JA ABER..." zu kommentieren: warte einfach mal die nächsten Teile ab, da wird noch ein bisschen mehr erklärt.


Sonntag, 18. Dezember 2022

Wie die Massentierhaltung in Deutschland entstanden ist

Ich lerne jetzt "Natur- und Umweltpädagogik". Als Fernstudium. Denn ich würde gerne mit dem, was Nick und mein Leben zum Teil ausgemacht hat, weitermachen. Statt Nick etwas zu dem Thema beizubringen, aber dann damit, anderen Kindern etwas beizubringen. Da gibt es Studienhefte, die arbeitet man durch und am Schluss hat man eine "Einsendeaufgabe", vergleichbar mit einer Klassenarbeit. Verschiedene Fragen, die beantwortet werden müssen. Im ersten Studienheft ging es recht kurz um Massentierhaltung und in der Einsendeaufgabe sollte man dann a) erklären, warum es zur Massentierhaltung gekommen ist und b) die Probleme bei der Massentierhaltung aus Tierschutzsicht beleuchten. Da meine Antworten etwas ausführlicher geworden sind und ich viel, viel Spaß dabei hatte, sie zu schreiben, hier nur die Blogversion davon:

Um die Punkte a) und b) zu klären, bedarf es zunächst einmal einer genaueren Definition des Begriffes „Massentierhaltung“. Der Begriff wurde 1975 „amtlich“ als er in eine Massentierhaltungsseuchenverordnung eingearbeitet wurde (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Massentierhaltung) und wird heute als Synonym für Intensivtierhaltung verwendet. Es bedeutet, dass viele Tiere auf verhältnismäßig begrenztem Raum gehalten werden.

Für Verbraucher beginnt Massentierhaltung bei 500 Rindern, 5000 Tieren Geflügel und 1000 Schweinen. (Quelle: wir-sind-tierarzt.de)





Die Zahl der Menschen, die ein Landwirt ernährt, haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Ernährte ein Landwirt, also ein Betrieb, 1970 noch 27 Menschen, hat sich diese Zahl durch das Sterben der kleineren Höfe drastisch verändert.

In einer Tabelle habe ich mit Daten des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung sowie dem statistischen Bundesamt/destasis die Entwicklung von Bevölkerung, Zahl der pro Landwirt ernährten Menschen und soweit zu finden, die Zahl der tierhaltenden Betriebe geordnet:


Jahr

Bevölkerung in Deutschland

Ernährte pro Betrieb

Anzahl Nutztierbetriebe



1970


77.709 Mio


27




1980

78.275 Mio

47



1990

79.365 Mio

69



2000

82.188 Mio

127

391 500**


2010

81.752 Mio

124

216 100


2020

83.160 Mio

139 / 150*

168 000



*die Zahl der ernährten Personen, wenn man Importfuttermittel mit einrechnet

** Zahl der Geflügelbetriebe wurde von genesis-destasis nicht erfasst

Allein die Entwicklung in den letzten zwei Jahrzehnten zeigt ein massives Höfesterben an. Die freiwerdenden Flächen werden dabei von anderen landwirtschaftlichen Betrieben übernommen (sofern sie nicht zu Baugebieten oder Naturschutzflächen ohne größeren landwirtschaftlichen Nutzen werden). Flächenübernahmen bedeuten für landwirtschaftliche Betriebe, dass sie sich vergrößern und ihren Tierbestand aufstocken. Denn auch wenn ein Betrieb mit Nutztierhaltung aufgibt und die Zahl der Nutztiere seit Jahrzehnten zurückgeht, bleibt immer noch ein hoher Fleischbedarf zu günstigen Erzeugerpreisen.

Damit wird die Versorgung der Bevölkerung gesichert, die durch Zunahme an Personenzahl, Veränderung der Wohn- und Lebensformen, dem mangelnden Platz (Zeit, Interesse) sich nicht selbst versorgen könnte. Dabei ist auch zu beachten, dass Tiere auch die Dinge fressen, die für Menschen eher „nicht so lecker“ sind und/oder die der menschliche Körper nicht verwerten kann. So bekommen Tiere auch Erntereste, Trester, Gras und so weiter – das würden viele Menschen nicht essen. Wenn Nutztiere solche für Menschen ungenießbaren und unverwertbaren Pflanzen / Pflanzenbestandteile fressen, nennt man das oft „veredeln“. Denn dadurch, dass Tiere den Kram fressen, verwerten und Fleisch ansetzen, haben wir Menschen letztlich etwas, dass unser eigener Körper verwerten kann – nämlich Fleisch, Eier und Milchprodukte – oder auch Fisch aus den vielen Fischzuchten hier in Deutschland.

Etwa 1970 war die Region in der ich lebe (Landkreis Cloppenburg/ Emsland/Ostfriesland; Nordwest-Niedersachsen) das „Armenhaus Deutschlands“. Es gab kleine Bauernhöfe und weite Flächen mit Wald und Moor, die nicht unbedingt zur Viehhaltung taugten. Insbesondere durch das relativ nahe Ruhrgebiet mit seinen ganzen Zechen und der Montanindustrie änderte sich die Region hier binnen weniger Jahrzehnte, denn die „Kumpel aus dem Pott“ leisteten Schwerstarbeit und brauchten entsprechend Nahrung, die alleine im Ruhrgebiet nicht anzubauen war.

Hier gab es diese Flächen und so wurde dafür gesorgt, dass aus dem ehemaligen Armenhaus der Republik dann eine ertragreiche Kulturlandschaft wurde. Höfe wurden nach und nach zu Großbetrieben, die mehr und mehr sicherstellen konnten, dass der „Sonntagsbraten“ bei dem „Vattern das größte Stück“ bekam die tägliche Wurstschnitte, die tägliche Bratwurst, das jederzeit in ausreichender Menge verfügbare Schnitzel wurde. Aus der Grundernährung durch Kohl, Kartoffeln und Rüben sowie Karnickeln aus dem eigenen Stall, für die Kinder Gras und Löwenzahn sammelten (siehe auch „Tante Linas Kriegskochbuch“) wurde das Motto „Fleisch ist mein Gemüse“, das nach dem Motto „der Kunde ist König“ immer und überall im Überfluss zu haben sein muss.

Dazu kam, dass man sich von der Vollverwertung eines Tieres immer mehr auf die „guten Stücke“ verlagerte. Dadurch wurde in zunehmendem Maße nur noch wenig Fleisch eines einzelnen Tieres verwendet, was ebenfalls einen Anstieg der Masttiere zur Folge hatte. Schließlich wollte ja jeder „das gute Fleisch“ und kaum noch einer so etwas wie Pansen, Kutteln, Nieren, Ochsenschwanz, Saumagen, Euter, Hirn, Zunge und so weiter. Bis zum Auftreten der Schweinepest wurden erhebliche Mengen von den Sachen, die deutsche Verbraucher nicht verwenden nach China exportiert. Mit Auftreten der Schweinepest gab es einen Exportstopp, China baut seitdem Massenställe in Hochhausmanier, um selbst Schweine zu produzieren. (Quelle: https://www.topagrar.com/schwein/news/neue-26-stoeckige-schweinehochhaeuser-in-china-13190792.html

der Film dazu: https://www.youtube.com/watch?v=vTEyYDayp5w) Ein anderer Abnehmer für hier unerwünschte Schlachtteile ist z. B. Indonesien.

So entstand die Massentierhaltung in Deutschland – was sich dabei für die Tiere überwiegend sehr positiv verändert hat, wird im zweiten Teil erklärt


Der kommt etwas später, wird sicherlich noch mal aufgeteilt, weil er wirklich sehr lang geworden ist - aber verraten kann ich schon, dass ich für meine Einsendeaufgabe 100 von 100 Punkten und damit die Note 1 bekommen habe. Das finde ich total klasse, weil ich erst unsicher war, ob ich mit dem Studium überhaupt klar komme. Ich werde nicht immer 100 Punkte bekommen, auch wenn ich mir viel Mühe gebe, aber für den Anfang ist das schon sehr motivierend! 

Dienstag, 22. November 2022

Nick lebt nicht mehr

 

Das Jahr ist fast schon wieder um. Keine Ahnung, ob hier noch irgendwer mal draufguckt. Vielleicht bekomme ich ja auch endlich wieder „die Kurve“, etwas mehr zu bloggen.

Der Sarg wurde mit den gesammelten Händen beklebt


Ich denke zwar, dass es alle mitbekommen haben sollten, aber ich schreibe es lieber noch mal – Junior ist am 22. Juli gestorben. Heute vor vier Monaten. Es waren vorher noch etwas anstrengende Wochen, weil der Tumor irgendwie in hoher Geschwindigkeit für alle möglichen Einschränkungen gesorgt hat. Nun ja, ich bin auf der einen Seite sehr traurig, dass er gestorben ist. Auf der anderen Seite – er hätte eigentlich schon vor 20 Jahren irgendwie die Folgen der Hirntumorerkrankung nicht überleben sollen, den Prognosen nach. Wir hatten also noch richtig viel Zeit zusammen, die andere Eltern mit ihren Kinder nicht hatten.


Dann ist ja Corona und „Medizin brennt“. Wir haben bei allem Mist noch echt Glück gehabt, eine halbwegs adäquate Versorgung zu bekommen, aber eben auch gemerkt, wie schlimm es zunehmend geworden ist. Von daher bin ich echt froh, dass er zu einer Zeit gestorben ist, in der wir beide auf einer Palliativstation dann wirklich gut versorgt waren. Das war nach der Zeit vorher eine enorme Entlastung und wir haben dort zusammen ein Zimmer gehabt, dass ich auch dort rund um die Uhr bei ihm sein konnte. Jeden Tag sind Kai, Marie und Alfred gekommen und kurz nachdem dann auch Merle mit ihrer Familie aus Hessen da war, ist Nick gestorben. Bewusst hat er sie schon nicht mehr mitbekommen, aber ich bin sicher, er hat bemerkt, dass sie da waren, die Berührungen gespürt und die Worte gehört.


Wir hatten dann noch ein paar schöne gemeinsame Stunden als Familie im Zimmer auf der Palliativstation, das würdevoll hergerichtet wurde. Nachdem Nick gestorben ist, sollten Kai und ich für einige Zeit aus dem Zimmer, damit die Pflegekräfte Zeit haben, die Zugänge zu entfernen und ihn wie schlafend ins Bett zu legen und mit der Kuscheldecke zuzudecken. Ich dachte immer, es wäre viel schwerer für mich, wenn er gestorben ist. Aber es war (und ist) traurig – aber gerade die intensive Zeit vorher und die Möglichkeit, mit ihm nach seinem Tod noch Zeit inmitten der Familie zu verbringen, die hat alles auch irgendwie leicht gemacht und das war gut so.


Abends haben wir uns dann von ihm verabschiedet. Wir sind alle nach Rastede gefahren und haben uns Kram von Mäcces reingezogen und er ist in den Krankenhauskeller in die Kühlung gekommen. Am nächsten Tag hatte mein Vater Geburtstag und hat etwas größer gefeiert, damit dort kein Mist erzählt wird, bin ich dann dort hingefahren. Es war okay und letztlich hat es mir auch gut getan.


Am Sonntag waren wir dann alle im neuen Friedwald in Cloppenburg, wo Nick beerdigt werden sollte. Da es aber mit Kinderwagen etwas schwierig war, haben wir nur den vorderen Abschnitt genauer angeschaut und uns dann irgendwie auf dem Trimm-dich-Pfad verlaufen.


Zwei Tage später hatten wir ein Gespräch beim Bestatter. Das war ziemlich interessant, weil das zwar ein Traditionsunternehmen mit weit über 100 Jahren Erfahrung ist, aber so ein Unternehmen mit über 100 Jahren Erfahrung kann nicht direkt Preise nennen. Die halten ihre Kunden auch irgendwie für dumm. Ich will mich über solche Blödmänner nicht weiter aufregen, das habe ich genug getan, wer wissen möchte, um welches „Traditionsunternehmen“ in Oldenburg er einen weiten Bogen machen sollte, wenn er nicht von vorne bis hinten belogen und ausgenommen werden will, soll uns einfach fragen. Oder aufpassen, wenn er von einer Autobahnabfahrt kommt und das Unternehmen kurz nach einer Tankstelle ist.



Was wir aber dort gemacht haben, war, Nick mit zu waschen, anzuziehen und in den Sarg zu legen. Das ist übrigens das Recht der Zugehörigen, sollte euch ein Bestatter erzählen, dass so etwas nicht geht, dann stimmt das nicht. Der Lichtblick in dem ganzen Bestattungsladen war dann auch derjenige, der mit uns zusammen dann Nick sargfertig gemacht hat. Das hat er auf eine wirklich schöne und rücksichtsvolle Art und Weise gemacht und auch viel dabei erklärt. Da wir gesagt haben, dass wir alles für den Sarg mitbringen und den noch gestalten wollen, war der Sarg auch unten nur mit Heu gefüllt (zum Flüssigkeit aufsaugen) und dann mit weißem Baumwolltuch ausgekleidet. Nick hat sein Kopfkissen mit Treckermotiv in den Sarg bekommen und als er dann im Sarg lag, hat er seine Bettdecke mit Treckermotiv als Decke bekommen. Es gab eine Maispflanze im Arm, die ungefähr so lang war wie der Sarg, dann ein Kräuterstrauß in die gut gekühlten Hände („Hier, halt mal, dann bleibt der länger frisch!“), ein Schweinchen von Marie, eine Fotocollage vom Korso, Salami, Bratwurst, Salzstangen, ein 10er-Pack Eier von Weidehühnern und ganz viele Papierkraniche von Merle.

Den Sarg haben wir mit allen gesammelten Händen beklebt, damit jeder, der wollte, ihn auf seinem letzten Weg begleiten konnte. Das war sehr schön und weil es im Aufbahrungsraum war, der kein Fenster hat, etwas anstrengend, weil der Sprühkleber ziemlich viel Lösungsmittel enthält. Bis jemand dann mal die Außentüre aufgemacht hat, damit frische Luft reinkommt.


Ein paar Tage später ging es dann nach Wilhelmshaven zur Feuerbestattung, da war ich mit Joey dabei und es war sehr würdevoll, festlich – und richtig interessant. Es ist nicht schlimm gewesen, denn im Sarg war zwar Nick – aber ich habe ja seinen durchgekühlten Körper beim Bestatter erlebt. Das war die Hülle von ihm. Aber da war nichts mehr, was wirklich sein Leben, seine Art und Weise ausgemacht hätte.






Montag, 2. Mai 2022

Von Straßensperren, Mai, Kotzerei und einem Rülpswettbewerb

Maifeiern auf einem Dorf ist schon recht krass. Eigentlich sind wir Samstag noch nach Hemmelte zum Regiomarkt gefahren, weil ich DACHTE, da wäre ein Hähnchenwagen. Falsch gedacht. Aber sehr typisch für mich war die Überlegung, ob das Dorf zu einer Großbaustelle wird, weil überall Straßenabsperrungen rumliegen. Ich immer so zu Nick: „Meine Fresse, DA liegt auch was! Ich glaube, ich habe irgendetwas verpasst!“. Also gegoogelt. Nichts gefunden. Auf die Seite vom Heimatverein, letzter Eintrag von 2018...

Die arme Sau im Baum...

War 1. Mai. Samstag haben schon viele Leute gefeiert und sind durch die Lande gezogen. Ich nur mit Joey, sehr gut gelaunt und "Versuchs mal mit Gemütlichkeit..." von Balou der Bär singend – bis ich mir irgendwie das Knie verknackt habe. Scheiße, das tat weh... und noch ein paar Kilometer bis nach Hause. Das war echt übelst. Und nicht mehr gemütlich. Aber ich habe dann an unsere Abenteuertour in Neuruppin gedacht, ziemlich am Anfang als wir hingezogen sind. Sonntags. Und Nick ist quasi fernab der Zivilisation auf einem Haufen Äpfel ausgerutscht und hat sich richtig übel das Knie verdreht. Wir hatten beide Hunde dabei – und es gab zu der Zeit sonntags kein Taxi in der Stadt. 2,5 Kilometer bis zur Wohnung im Schneckentempo mit vielen Pausen zurücklaufen und immer wieder Tränen trocknen, weil es ihm richtig scheiße weh getan hat.

Mittlerweile bin ich schon ganz froh, dass er sich von der Chemo soweit erholt, dass er wieder stabiler steht und nicht wie 75 Kilo Kartoffelsack immer zusammensinkt. Mit viel Stützen kann er wieder ein paar Schritte laufen. Als wir 2009 nach Wuppertal gezogen sind, hat er wenige hundert Meter mit Mühe geschafft. Nach zwei Jahren hatten wir dann mal eine 15 Kilometer-Tour, die er gut gemeistert hat. Wir hatten echt eine tolle Zeit – und haben so unglaublich viel geschafft. Und jetzt bin ich schon froh, wenn er mit wirklich viel Hilfe ein paar Meter läuft ohne hinzufallen oder es schafft, den Rolli durch die Wohnung zu bekommen und auch mal einen Tag nicht kotzt oder ein bisschen mehr als drei Becher voll trinkt. Ganz schön krass!

Ich bin jetzt auch „kotzerprobt“ und kann notfalls weiter essen, während ich zugucke, wie Nick kotzt und bin auch recht zügig im Schüssel oder Tuch anreichen. Man wächst an und mit den Aufgaben. Wobei mich am Meisten an der Kotzerei der Flüssigkeitsverlust stört. Während der Chemo hat Nick zum Schluss so wenig getrunken, dass bei der Blutbildkontrolle kein Tropfen Blut zu bekommen war. Dann hat es sich auf die Verdauung so übel ausgewirkt, dass er einen Tag darauf richtig viel getrunken hat. Ich habe bestimmt fünf Mal gefragt, ob er auf Toilette muss - „Nein“. Der Körper hat alles aufgesaugt wie ein Schwamm. Unglaublich.

Wobei es auch immer wieder Situationen gibt, wo wir trotz allem (und dazu gehört mittlerweile auch eine sehr eingeschränkte Mimik von Nick) Momente haben, wo wir uns kringelig lachen können. Über irgendwelchen Unfug. Gestern war es mit Marie ein Rülpswettbewerb. Und ja, das war saukomisch!

Zu den Bildern: auf der Hunderunde bin ich wieder an einem Baum vorbei gekommen, der eine kleine Besonderheit hat. Die finde ich so zum schmunzeln, dass ich das natürlich gleich zu einer Geschichte verwurschteln muss. Dabei habe ich dann gemerkt, ich bin so alt, ich kenne noch Bauern, die ihre ausrangierten Anzugjacken im Stall an hatten. Das war voll normal. Nicht wie heute extra Hörner-Bertel-Emu-Klamotten.








Freitag, 22. April 2022

von Ostern, Ärzten und Essen

 

Ne, wat schöööön, Ostern 2022


Also eigentlich ist Ostern dieses Jahr bei uns ausgefallen, weil „is nich“ und „keine Lust“ und überhaupt, wir haben andere Sorgen. Aber mein mitunter etwas alberner Kopf hatte vor Ostern noch richtig viel Spaß daran, sich am Wort „Kreisverbandsarzt“ auszuleben. Eckig kann der nicht und eiförmig wird bestimmt auch schwer. Königsdisziplin wird dann wahrscheinlich „Stichwunden“ sein, bei der eine Dartscheibe mit mehreren Pfeilen vernünftig verbunden wird. 


Ostern als Kreisverbandsarzt ist jedes Jahr eine besondere Herausforderung


Ein Ostergeschenk gab es dann doch, über das ich mich gefreut habe: Es kam ein Päckchen aus Leipzig von der Schäferin Sandra, die noch ein handgroßes Stück Kirschholz vom im Sturm umgewehten Baum ihrer Streuobstwiese hatte. Das habe ich bekommen, weil sie die Fotos von den Sachen sieht, die durch meine Hände entstehen. Ich finde es ganz spannend, verschiedene Hölzer zu verarbeiten, allerdings sind Harthölzer wie Buche oder Eiche super anstrengend zu schnitzen und dann macht es keinen Spaß mehr. Wusstet Ihr, das Sägespäne „Männerglitzer“ sind? Ist das nicht ein total schönes Wort?!


 


Mein Osterüberraschung: ein Stück Kirschholz

Aber der ganze Schokokram etc. ist dieses Jahr weggefallen, auch weil Nick das derzeit nicht darf. Und ich zu dick werde. Samstag waren wir nachmittags mit Kai und Marie grillen. Da Nick wegen der Chemo mit dem Essen aufpassen muss, haben wir noch einen Sack Kartoffeln gekauft und Pellkartoffeln mitgebracht. Von einigen Dingen darf Junior gar nichts, von anderen ein paar Gramm und wieder andere sind erlaubt, im Prinzip geht es um einen Stoff der sich Tyramin nennt. Tyramin ist etwas, dass bei der Verarbeitung von Lebensmitteln durch die stattfindenden chemischen Prozesse entstehen kann. Wenn z. B. Eine Banane so reift, bis sie braun wird, ist das ja im Grunde ein chemischer Prozess. Bei einer Banane entsteht dabei ebenfalls Tyramin. Ebenso bei ungekochten sauer eingelegten Dingen oder bei fermentierten Dingen, wie z. B. Käse. Frischkäse geht noch, aber Schimmelkäse wie Brie und Camenbert oder Hartkäse wie Gouda geht nicht. Frische weiche Salami geht, harte Salami nicht. Frisch gekochte Sachen aus den erlaubten Dingen gehen, Reste sofort in den Kühlschrank und binnen 24 Stunden aufessen.

Das ist jetzt mit einem großen Topf voll Bologneseeintopf etwas blöd gelaufen, weil das Essen noch 3 Stunden lang zu warm für den Kühlschrank war. Aber da der mild gewürzt ist, teilen Joey und ich uns den Rest und für Nick wird frisch gekocht. Also falls er nicht schon wie heute, schon das Frühstück quer durch die Küche kotzt und nachmittags dann nochmal alles vollkotzt. Dann gibt’s nur Salzstangen und wir müssen gucken, was drin bleibt. Frisch gepresster O-Saft bis 100 Milliliter geht, gekaufter geht nicht. Laut Medikationsplan geht Cola nicht, laut Recherche geht Cola doch. Da es eines der wenigen Dinge ist, die Nick trinkt, gibt es – wie üblich - WENIG Cola. Es ist ein bisschen Kuddelmuddel und das Blöde ist einfach, dass ich mir die wirklich wichtigen Informationen selbst aus dem Internet suchen muss. Tyramin kann übrigens Migräne auslösen und muss auch bei einem bestimmten Wirkstoff von Antidepressiva vermieden werden. Aber das Raussuchen ist nur blöde und kein Berg, weil irgendwann hatte ich da ja mal eine zweite Ausbildung in dem Bereich angefangen und das war sehr spannend. 

Nachdem heute dann beide riesen-kuschel-Decken-Pullis, kurz: „Oodies“ vollgekotzt wurden, trägt er jetzt meinen und ich habe noch welche nachbestellt. Einen dicken, zwei aus Flanell und einen Surfponcho aus Frottee, der ist nach dem Duschen ganz praktisch (auch weil ich den Fön reinhalten kann und damit das Abtrocknen schneller geht). Fast alle Kuscheljacken passen mittlerweile nicht mehr – und wenn er sich in den Kuscheldingern wohl fühlt und die weder Schmerzen noch Würgereiz auslösen, dann soll er sie tragen. Meine zweite Lieblingsweste trägt er mittlerweile auch schon, wenn wir unterwegs sind, die passt nämlich über so ein Teil.

Die Auswirkung von Tyramin wäre bei Nick unter anderem Bluthochdruck. Aber es blockiert auch irgendwelche Aufnahmen von Medikamentenwirkstoffen oder haut da anderswie richtig übel quer. Deshalb stocken wir unser häuslicher Pflegearsenal jetzt mit einem Blutdruckmessgerät auf, dass eine App-Aufzeichnung hat. Zu sagen: „Gibt dann halt vielleicht Bluthochdruck“ ist eben doof, wenn ich nicht weiß, wie der Normalwert ist und keine Gelegenheit habe, irgendwie zwischendurch mal zu kontrollieren. (Oh, da ist ein komisches Zeichen beleuchtet, erst mal gucken, was das bedeutet.... UNREGELMÄSSIGER HERZSCHLAG. Ah ja...)

Letztlich waren die letzten zwei / drei Wochen dann wieder so voller Erlebnisse aus dem medizinischen Bereich, dass ich immer noch in Gedanken auf den blöden Erlebnissen herumkaue wie auf einer alten Schuhsohle. Ich verstehe das „warum ist jemand so scheiße drauf?“ nicht. Je problemloser die Patienten, desto schneller sind sie abgefertigt. Bei mir waren es etwa 3 Minuten. Schnell, schnell, schnell, Diagnose um die Ohren hauen und verschwinden. Ich weiß bis heute nicht, wie der Arzt heißt, weil er nicht zu den Fotos von dem Praxisteam passt. Aber da ich für ihn offensichtlich ein Stück menschlicher Müll bin, werden wir uns ohnehin nicht wiedersehen. Tut mir leid für die Mühe, die sich gemacht wurde, damit ich den Termin bekomme. 

Auf Twitter hat heute eine Ärztin geschrieben, sie hätte sich Zeit genommen, einer Patientin mit nicht herauszufindender Diagnose einfach mal zuzuhören. Die Patientin hätte sich dann mit den Worten: „Sie sind der erste Arzt, der mir wirklich zugehört hat!“ bedankt. Nach einer wahren Ärzte-Odysee. Es gab darauf viele Berichte von anderen Ärzten, die ähnliches erlebt haben und von Menschen, die als Patienten am „nicht zuhören können“ der Ärzte mehr und mehr verzweifeln. Ich bin also in guter Gesellschaft.

Es ist völlig in Ordnung, wenn ein Mensch sagt: „Ich habe Angst vor dem Zahnarzt, kennt jemand einen, der gut mit Angstpatienten umgehen kann?“. Das ist überhaupt kein Problem, man bekommt Tipps wer das gut kann und niemand sagt: „Du stellst dich einfach nur blöd an!“ oder „Du willst ja nur nicht!“ oder macht sich über dich lustig. Ein Problem wird es nur, wenn man grundsätzlich Angst vor Ärzten hat. Dann ist das alles nur blöde Anstellerei und man soll sich nicht so haben und wenn man all die super Ratschläge nicht befolgt, die Menschen einem geben, die sich nicht einmal im Ansatz vorstellen können, wie das so tatsächlich ist, dann will man einfach nur nicht.

Tja, dann ist das wohl so. Dann kennen einen viele Menschen, die oft nicht einmal im Ansatz wissen, was alles passiert ist und warum manche Dinge so sind, wie sie sind, mich wohl viel, viel besser als ich mich selbst. Und ich lebe mit mir nun schon 54 Jahre. 

Montag, 11. April 2022

Von Maulwurfshaufen, Bleistiften und der Port-OP

 

Es gibt Dinge, die sind für manche Menschen so einfach zu überwinden wie Maulwurfshaufen. Die werden für mich immer wie der Himalaya sein. Umgekehrt gibt es Dinge, die für Andere wie unüberwindbare Berge sind – und für mich wie Maulwurfshaufen. Manchmal sieht man aber eben nicht, dass die eigenen Maulwurfshaufen für einen anderen Menschen ein Ausflug ins Hochgebirge ist. Ohne Kondition und mit Flip Flops an den Füßen.


Heute waren meine "Maulwurfshaufen" Nick ins ambulante OP-Zentrum zu begleiten. Ich durfte mit in den Aufwachbereich bis er zur OP abgeholt wurde, danach habe ich mich wieder der Schutzkleidung entblättert und bin mit dem Hund eine Runde gelaufen. Auch durch die Heiligengeiststraße. Es gibt dort einen neuen Laden für Künstlerbedarf und ich habe erst einmal durch die Schaufenster geschaut, ob ich dort irgendwo einen Ständer von Faber-Castell sehe. War aber erst mal nix zu sehen, also zum Lappan, weil da Bösner.... WAR. Ups. Wieder retour und mit Joey in den neuen Laden. Wenn Joey etwas kann, dann sich in Läden benehmen. Der Ständer von Faber-Castell war dann gleich vis a vis der Türe.

So schnell wird man Geld los! Eine Blechkiste Bleistifte mit unterschiedlichen Härtegraden, dann gab es noch einzelne Bleistifte in unterschiedlichen Härtegraden und ich habe bei "2B" zugeschlagen. Natürlich musste auch ein neuer Knetradierer her. Weil ich schon mal da war und gerne unterwegs zeichnen würde, habe ich dann auch gleich ein Skizzenbuch in A4 erstanden. 

Also ob der Besuch dort nicht schon großartig genug gewesen wäre, wurde ich gefragt, wo ich zeichnen möchte und habe erklärt, dass ich aus Friesoythe-Markhausen komme und erst mal von der Gegend hier geschwärmt. Dann wurde ich aufgeklärt, dass die einzelnen Bleistifte ein neues Produkt von Faber-Castell wären, habe noch ein "Goodie" bekommen. Der Hund wurde gestreichelt (auf Bodenhöhe) und ich wurde nach dem Namen gefragt. "Joey Katastrophulus". Ein kurzes Stutzen "der kommt aus Griechenland" habe ich dann noch erklärt und Joey wurde auf Griechisch angesprochen. DAS ERSTE MAL. Das war so unglaublich lieb! 


Gleich den neuen Bleistift ausprobiert höhöhö

Das Tolle und ein bisschen das Doofe ist, der Laden ist genau gegenüber von der Onko-Ambulanz. Das bedeutet, ich kann ihn regelmäßig gut erreichen. Das ist natürlich toll. Das Doofe ist, es wird halt immer Geld dort bleiben. Aber für eine gute Sache. Nämlich, weil es mir dann ein bisschen gut geht, wenn ich gute und wundervolle Dinge habe um mich kreativ auszutoben! 

Nachdem ich meine neuen Schätze dann eingepackt und Joey wieder zum Auto gebracht habe, gab es noch ein bisschen Wartezeit im OP-Zentrum. Gleich mal die neuen 2B-Stifte ausprobieren. Ich habe vor zwei Wochen schon eine ähnliche Skizze für eine Geschichte gemacht, aber die hier gefällt mir viel besser. 

Dann durfte ich mich wieder umziehen, weil Nick im OP fast fertig war und im Aufwachbereich auf ihn warten. Er hat zwar ein Medikament zum relaxen bekommen, aber die OP war unter örtlicher Betäubung. Während ich noch auf ihn gewartet habe, kam der Arzt um mir zu erzählen, wie die OP verlaufen ist, wo es Probleme gegeben hat und gibt, wie er es sieht. Es war aus Gründen sehr beeindruckendes und tolles Gespräch und ich bin echt sehr dankbar, dass es so unglaublich tolle Ärzte gibt. 



Ich habe heute mal ein Bild vom Stand des nächsten Brandopferviechs gemacht. Da bei Bruzzel die fühlbaren Narben nach dem Nassfilzen verschwunden sind, sieht der Kopf vom neuen Vieh leider gerade ziemlich krass aus. Ich weiß auch nicht, wie es aussehen wird, wenn es dann am Schluss nassgefilzt wird, damit die Fasern sich noch besser verbinden. Aber es ist auch noch lange nicht fertig und irgend eine Überraschung wird schon dabei rauskommen - und eigentlich ist genau das mit ein wesentlicher Teil dessen, was ein Filzviech ausmacht. 







Sonntag, 10. April 2022

Vom nicht gut gehen, Wegrennen und schnitzen

 

Es geht mir nicht mehr wirklich gut und die Zeit mit dem neuen Hirntumor von Junior, dem Umzugsstress, Corona und letztlich meiner eigenen Geschichte kassiert gerade so ziemlich alles, was an Zuversicht, Energie und Co mal da war. Ich kratze jeden Tag alles an solchen Resten zusammen, was ich irgendwo in mir finden kann und schaue, ob ich die ein bisschen vermehren kann. Ich habe lange darüber nachgedacht, was mir gut tun würde. Mich mit den Filzviechern, mit Filzen, Zeichnen und so weiter zu befassen. Das tut einfach meiner Seele gut.


Herr Rehbock ist mittlerweile deutlich gerissener geworden...

Klar, es gibt das Land-Laden-Lecker-Projekt. Aber weil Nick auch nicht mehr viel kann, und es sich auch nicht so entwickelt, wie ich es gehofft habe, liegt das auf Eis. Ich sollte mich eher auf das besinnen, was MIR gut tut. Was mir WIRKLICH gut tut. Denn es ist zwar toll und spannend „immer eine neue Sau durchs Leben zu treiben“ - aber vielleicht ist es irgendwo auch ein „Wegrennen“ gewesen. Auch wenn es echt Spaß gemacht hat. Aber immer, wenn ich denke „da wäre eine Chance etwas aufzubauen, das Anderen vielleicht hilft und ich dann damit anfange, wird das eigentlich wie so ein Crash-Test vor eine Betonwand. Es gibt Menschen, die haben einfach das bessere Netzwerk, werden mehr gefeiert und können sich weit besser verkaufen als ich. Also sollte ich es lassen. Vielleicht schreibe ich es mir noch mal sehr groß in Schönschrift auf, rahme es ein uns hänge es in ständiger Sichtweite auf. Zumindest habe ich bei allen diesen Dingen immer auch etwas gelernt und über den Tellerrand gucken können. Deshalb ist es im Prinzip auch nicht schlimm, wenn man an einer Sache scheitert. Denn auch vor und beim Scheitern kann man, wenn man will, viel lernen. Mehr als „ich bin zu blöd dazu, ich Opfer!“.


Erst wollte es ein Löffel werden, dann ein Haken, dann ein Zauberstab

Nach einem phänomenalen Löffelschnitz-Workshop, bei dem wir vier Stunden im Wald gesessen haben und es ein großes Stück „wie früher“ war, habe ich unser Schnitzwerkzeug erweitert. Nick sitzt oft mit am Küchentisch und wurschtelt mit dem Kram vor sich hin, während bei mir die Späne fliegen und ein Stück Ast sich nach und nach überlegt, was es gerne wäre. Mein Lieblingswerkzeug ist von Flexcut und sorgt immer mal wieder für Pflasterbedarf. Da „Feinewerkzeuge“ Flexcut-Produkte in Rolltaschen-Sets hat, die noch bezahlbar für mich sind, habe ich mit riesen Begeisterung dort weitere Schnitzeisen gekauft. In den Rolltaschen ist EXTRA noch einmal vermerkt, dass die Sachen extrem scharf sind. Ich sach mal so: ein Handy drauf ablegen und wieder hochnehmen kann dann schon mal zu einer blutigen Angelegenheit werden.



Es ist oft ein beinahe meditativer Schöpfungsprozess – und mich einfach in ein Stück Holz zu vertiefen und zu schauen, was es dann tatsächlich wird, das ist sehr wohltuend. Es ist so wunderbar unperfekt und sieht oft eher unordentlich aus – und genau DAS tut mir gut. Denn ich fühle mich von viel zu viel Perfektionismus umgeben, von viel zu viel Äußerlichkeiten – denn es muss nach ja immer alles toll und super sein, blitzen und funkeln. Der schöne Schein ist alles, was zählt. Und Schnelligkeit. Schnelligkeit ist unglaublich wichtig! Denn Zeit ist... ja, was eigentlich?

Wir haben in den letzten Jahrzehnten immer mehr Dinge erfunden bekommen, die Zeit sparen und uns das Leben erleichtern sollten. Aber irgendwie ist genau das Gegenteil eingetreten. Alles das, was doch so toll Zeit sparen soll, macht das Leben nur viel stressiger. Weil man die gesparte Zeit nämlich nicht dafür verwendet, vielleicht achtsamer zu sein und Luft zu holen, sondern da lieber noch Arbeit und Tun reinquetscht bis zum „geht nicht mehr“. „Nur noch eben schnell“. Interessanter Weise halten wir und dafür für die Krone der Schöpfung und enorm intelligent. Ich wage das einfach mal zu bezweifeln.

Nick und Opas Zugeisen. Aus dem Ast ist der Zauberstab entstanden.


Was Junior anbelangt hatte er letztes Jahr durch die Chemo einen zusammengeschmolzenen Tumor, das war ganz schön. Aber es war klar, dass es nicht so bleibt. Im Januar ist der Tumor schon wieder etwas gewachsen – und das neueste MRT zeigt, er hat wohl ziemlich gestreut und ist noch weiter gewachsen. Das merke ich auch an dem, was Nick noch kann – oder eben nicht mehr kann. Er hatte dann beim MRT-Nachgespräch genau zwei Optionen: Nichts mehr machen und auf den Tod warten oder noch eine andere Chemo-Kombination versuchen um Zeit zu gewinnen. Er hat sich für Letzteres entschieden. Einen neuen Port bekommt er dann auch, die OP ist montag morgen. Dann hat er einen links und einen rechts, weil der alte Port eingewachsen ist und zu dicht am Herzen liegt.

Gründonnerstag fängt die Chemo mit Procarbazin an, die geht über 14 Tage - und wir müssen dann ziemlich mit dem Essen aufpassen, weil Nick keine Sachen essen und trinken darf, die den Stoff Tyramin enthalten. Das wird ganz spannend werden. Es überschneidet sich zum Teil mit "Ihr Cholesterinspiegel ist zu hoch" was mich anbelangt. Wobei ich noch angestrengt darüber nachgedacht habe, was zum Teufel das verursacht hat, weil ich ja eigentlich schon aufpasse, dann bekam ich einen Zettel in die Hand gedrückt "falls ich umstellen will". Heute habe ich dann gelesen, dass Stress den Cholesterinspiegel enorm anheben kann. Ach, sie mal einer guck. Üblicher Tipp: "Reduzieren Sie ihren Stress!". Danke. Also sollte ich nicht mehr für mich zum Arzt gehen. Zack, deutlich weniger Stress!