Montag, 25. August 2014

"Kampa... was?"


Seit Monaten prangt der Schriftzug an einem Haus am Karl-Kurzbach-Platz (das ist bei der Post), auf fast jeder Hunderunde springt er ins Auge. 

Bis auf sehr wenige Menschen, nämlich die aus der Gruppe rund um den Sprayer, kann damit keiner etwas anfangen, ausser sich darüber vielleicht zu ärgern, das schon wieder jemand zeigen musste, das er in der Schule zumindest gelernt hat, mit großen Buchstaben auf einer senkrechten Fläche zu malen. Wahrscheinlich ist die heimische Hauswand schon vollgeschrieben und das eigene Zimmerfenster auch, dass man auf fremde Wände zurückgreift um zu beweisen, das man schreiben kann.



Nun denn... da steht nun seit Monaten groß und lesbar Kampaschowan mit einem Gitterkreuz davor. Man könnte dieses Gitterkreuz ja durchaus mit Knast assoziieren und das Wort „Kampaschowan“ mit irgendeinem Asylanten, der eingebuchtet wurde. Da dieser Schriftzug auftauchte, als wieder Flüchtlinge im Mittelmeer auf der Flucht nach Lampedusa ertrunken sind, bin ich zuerst von einer Solidaritätsaktion in dem Zusammenhang ausgegangen. Läge letztlich auch wegen dem frisch sanierten Asylbewerber-Heim in Treskow ja  irgendwie nahe und da andere Sprachen manchmal sehr melodische Wortschöpfungen haben (mimikama ist z. B. suaheli und bedeutet „Gefällt mir“ - auf mimikama.at findet ihr alles über Hoaxe, Falschmeldungen und Hackerangriffe was insbesondere Facebook anbelangt. Sehr informativ und empfehlenswert!).

Aber... weit gefehlt. „Kampaschowan“ ist ursprünglich aus dem Schwedischen und wird richtig eigentlich auch „kämpa schowan“ geschrieben. Es bedeutet „Kämpfe, Schowan!“ und bezieht sich dabei definitiv nicht um eine Form von Gewalt. Schowan ist ein junger Mann aus der Fanszene des Fussballvereins Malmö. Er setzt sich dort unter anderem gegen Nazis und gegen Homophobie ein. Homophobie bezeichnet eine Ablehnung und Feindseligkeit gegenüber Schwulen und Lesben und der Kampf auch gegen Homophobie ist in der Fanszene der Ultras seit langem ein großes Thema.

Wer jetzt denkt:“Ist ja klar, immer diese Ultras!“ - ich bin sicher, nicht jeder Kleingärtner ist ein verbissener Spießer mit Zollstock, Giftspritze und Gartenzwerg. Genauso wenig ist jeder, der bei den Ultras ist, ein gröhlender, pöbelnder, asozialer und gewaltbereiter Mensch, dem es nur ums draufkloppen gibt. Klar ist, es gibt auch solche Leute bei den Ultras – und es gibt dort auch Menschen, die so dermaßen links sind, das sie schon wieder rechts sind, es aber nicht merken. 

Aber es gibt auch die netten, sehr sozialen und toleranten Leute, die z. B. mit Behinderten kein Problem haben und völlig selbstverständlich und ohne Aufhebens das umsetzen, woraus andere Leute immer noch ein großes Bohei machen müssen. Jugendkultur, und dazu gehören die Ultras nun einmal, hat viele Gesichter. Man muss nicht jedes davon mögen. Aber sie gehen noch für Werte auf die Straße, wo andere Leute lieber Löcher in ihr Sofa pupsen und ihrer Bierflasche erzählen, dass man endlich mal was tun müsste. (Wobei man dann auch wiederum Ultras von Hools unterscheiden muss, also es ist schon etwas diffiziler, als es den Anschein hat  :-D )

Showan war im März 2014 am Vorabend eines Fußballspieles nach einer friedlichen Demo zum Weltfrauentag mit ein paar Freunden auf dem Weg zu einem Konzert, als sie auf eine Gruppe von 6 Neonazis trafen, die nicht sonderlich lange gefackelt haben. Diese Nazis sind schon vorher als gewaltbereit bekannt gewesen und haben – so diverse Schilderungen – dann Showan und seine Freunde mit Flaschen und Messern angegriffen. Showan hat dabei lebensgefährliche Verletzungen erlitten und es war längere Zeit nicht klar, ob er überhaupt durchkommt. Daraus hat sich der Spruch „kämpa Showan!“ entwickelt, der mittlerweile zu „Kampaschowan“ mutiert ist.

Showan hat sich nicht unterkriegen lassen. Er hat überlebt und setzt sich nach wie vor für seine Werte ein. 

Das "Gitter" vor dem Schriftzug ist übrigens ein "Hashtag". Mittlerweile meinen leider viele Leute, so ein Teil vor irgendwelchen Wörtern in irgendwelchen Internetmeldungen setzen zu müssen. Mit dem Doppekreuz werden die Wörter dann zu Schlagwörtern und klickt man sie an, weil sie auch so schick blau sind, landet man auf einer anderen Seite, wo viele andere Meldungen verzeichnet sind, die genau so ein Schlagwort mit #Hashtag haben. Das sollte ursprünglich mal die Suche erleichtern. Die Absicht war also gut. Bis Leute eine Seuche daraus gemacht haben, jeden Mist mit Doppelkreuz zu markieren.











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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.