Donnerstag, 5. Dezember 2013

Adventskalender, 5. Türchen

auch diese Türe hat ein Stück Geschichte erlebt



Bo... WER?

Vor einiger Zeit bekam ich mit, dass eine Abordnung der Stadt in Certaldo war. Besprochen wurde unter anderem der Anlass, dass ein Typ namens Boccaccio vor 700 Jahren in Certaldo geboren wurde. So etwas muss natürlich gefeiert werden, weil der nächste Anlass deshalb nämlich erst 2075 wäre, da hat Boccaccio das Zeitliche gesegnet. Ganz ehrlich, ich habe ja schon mal geschrieben, dass ich keine Schule besucht habe, an der man sich mit Sachen wie Goethes Faust auseinander setzen musste – und Boccaccio klingt im ersten Augenblick wie Boccia, auch Boule genannt.

Aber, weit gefehlt, dieser Giovanni Boccaccio ist ein ziemlich berühmter Schriftsteller, Denker, Erzähler und Diplomat gewesen und eigentlich wohl der Hauptgrund, warum Certaldo die Partnerstadt von Neuruppin ist. Weil Fontane nämlich ein paar hundert Jahre später ziemlich ähnlich vom Leben hier geschrieben hat, wie Boccaccio damals von dem Leben in Florenz, Neapel und so berichtet hat. Also in Erzählform.

Ich könnte hier die halbe Wikipedia-Geschichte von Boccaccio abschreiben – aber ganz ehrlich – wen würde das eigentlich interessieren? Bei der Recherche habe ich dann noch „Boccaccio und die Folgen“ gefunden – ein Büchlein, das ist sogar aus Neurupppin. Aber auch das ist mir eigentlich viel zu hoch und abgehoben. Klar, es ist Kultur und Kulturgeschichte. Aber es gehört zu dem Part, der vielen Menschen viel zu hoch und abstrakt ist und mit dem sie einfach nichts anfangen können. Man kann es nicht jedem Recht machen – aber man könnte versuchen, manche Menschen dort abzuholen, wo sie stehen um sie auf den Geschmack zu bringen, sich damit zu beschäftigen.


Was habe ich noch gefunden? Einen Artikeln: „Boccaccio in der Bar!“ Na, das klingt doch irgendwie mal etwas bodenständiger! Es hat sogar mit Fontane zu tun – denn der Artikel ist aus dem Spiegel von 1956 und handelt davon, dass ein Hans Scholz damals den Berliner Fontane-Preis bekommen hat. Er hat viel Zeit in Kneipen verbracht und dann darüber erzählt. Na ja, er hing wohl nicht nur in Kneipen rum, aber immerhin, sein erstes Buch hat dann gleich so viel Furore gemacht, das es den Preis abgeräumt hat.



Wie komme ich überhaupt auf Boccaccio? Marianne Kühn-Berger, eine hiesiger Künstlerin, hat am 28. November eine Ausstellung dazu eröffnet. Das war eine ganz nette Veranstaltung. Viele Leute in einer kleinen Galerie, Kinder haben klassische Flötenstücke gespielt und Herr Theel hat erzählt, was Boccaccio mit Neuruppin zu tun hat und wie es zur Städtepartnerschaft mit Certaldo gekommen ist. Das war sehr interessant.


Es gibt viele schöne, zart und leicht anmutende Bilder von Kurt-Hermann Kühn neben langen Texten zu Boccaccios „Decamerone“ und der Freizügigkeit, die von Kurt Schifner, einem Kunstwissenschaftler, verfasst wurden. Die Texte sind sicherlich sehr informativ und aufschlussreich, wenn man sie alle lesen würde. Ich habe bei einigen angefangen zu lesen und dann nach wenigen Sätzen aufgehört. Würde ich mich mit solchen Texten auseinandersetzen wollen, dann nicht die Beine in den Bauch stehend in einer Galerie. Dafür sind sie einfach zu lang und mit viel zu viel Fremdwörtern gespickt. Das hört sich immer ganz schick und schlau an, grenzt aber dann sofort auch diejenigen aus, die mit vielen dieser Fremdwörter nichts anfangen können.

Vielleicht reicht es einfach zu wissen, das Decamerone von einer kleinen Gruppe handelt, die vor der Pest in ein Landhaus flieht und sich dort die Zeit damit vertreibt, das jeden Tag Geschichten zu einem bestimmten Thema erzählt werden. Das ist so ein bisschen wie „Märchen aus 1001 Nacht“. Der Name Decamerone ist aus dem griechischen abgeleitet und bedeutet „zehn Tage“. So lange war die Gruppe in dem Landhaus. Sehr oft handeln die Geschichten davon dass im Mittelalter gar nicht alles so düster und spießig war, wie mitunter gerne vermittelt wird, sondern das dort auch gerne mal „Querbeet gepoppt“ und mit Reizen nicht gegeizt wurde. Ein Spielverderber, der da an Flöhe, Syphillis und Gonorrhoe denken würde. Aber hey, ein paar Kilometer weiter wütete die Pest, da kommt es dann auf solche Sachen auch nicht mehr an.

Sollte jemand bemängeln, das die Bilder von Kurt-Hermann Kühn doch sehr freizügig sind und Angst um das Seelenheil seiner Kinder (oder eher vor Fragen, die man lieber nicht beantworten möchte) haben - bleibt mit euren Kindern dann bloß von jedem Zeitungsregal weg und bringt denen niemals so etwas wie Mädchen (die Zeitschrift) oder Bravo mit!

Bildausschnitt, das ist keine Kuscheldecke...

Außer den Werken von Kurt-Hermann Kühn hängen dort vier sehr farbenfrohe Bilder von Marianne Kühn-Berger. Ein Burgfräulein mit langem Kleid und Kerl unter dem Kleid, Tauben mit Briefen, als Flügel die über eine Weltkugel fliegen, ein Mädel mit Handy am Strand und ein Bild, das aussieht als ob „Jane“ aus er Zeichentrickserie „Jane und der Drache“, wo ein Mädchen im Mittelalter unbedingt Ritter werden will, im Burgfried sitzt und Laute spielt. Ist aber nicht Jane. Ich habe nachgfragt. Die Serie ist Frau Kühn-Berger gänzlich unbekannt.

Mehr über die Künstler findet ihr auf deren Website, einfach den Link anklicken

Die Ausstellung könnt ihr in der Schinkelstrasse 13 in der Geschäftsstelle „Die Linke“ besuchen. Übrigens eine schöne Idee, die kahlen Wände als Galerie zu nutzen. Die Öffnungszeiten sind derzeit: 


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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.