Montag, 2. Dezember 2013

Adventskalender 2. Dezember



Unsere heutige Türe findet ihr in der Bernhard-Brasch-Strasse, eingerahmt von Bauzäunen (leider).  
Den, den wir besucht haben, findet ihr hinter dieser Türe übrigens nicht...


Weiter geht es mit dem Abenteuer „Adventskalender“. Unser Weg hat uns hier in Neuruppin zu Robert W. Wagner geführt, der mir mit den Worten: „Den müssen Sie unbedingt kennen lernen!“ sehr ans Herz gelegt worden ist. Wir waren also gespannt, ein bisschen aufgeregt und es war ein bisschen wie ein Sprung ins kalte Wasser. Die Zeit zur Vorbereitung war recht kurz und so waren wir relativ unvorbereitet. Ich hatte mir einige Fragen überlegt (die natürlich klug klingen sollten) – und dann empfing uns auch schon ein netter älterer Herr mit einer sehr sympathischen Ausstrahlung. 



Ich mag das. Das sind genau die Menschen, denen man stundenlang zuhören könnte ob ihrer Geschichte und dem, was sie alles erlebt haben. Es sind Menschen, die, wenn sie irgendwann mal nicht mehr sind, eine Lücke hinterlassen, weil sie für etwas stehen, das es immer weniger gibt. Robert W. Wagner steht für klassische Malerei, für beeindruckende Ölgemälde und wunderbare Pastellbilder in Zeiten von Acrylfarbe, Edding und Photoshop. Er steht für Kaltnadelradierungen in einer Zeit, wo man mit Embossing und anderer vorgefertigter Stempelkunst überschwemmt wird. Für Ruhe und Geduld, Bilder und auch Farben wachsen zu lassen in einer Zeit von deathlines und Kreativfertigpackungen – und für noch viel mehr.

Ausstellungsflyer
Mit Nicks Worten: „Ich hätte nie gedacht, das in dem Haus so etwas ist!“. Gemeint ist das Atelier, das eine ganze Etage einnimmt und einen gleich mit dem wunderbaren Duft „hier riecht es so, das man weiß, hier wird gemalt“ (Nick) empfängt. Die Plakate im Treppenaufgang zum Atelier zeigen den Weg seiner Ausstellungen. Im Atelierflur laden viele kleinere Bilder zum Verweilen und Betrachten ein, nicht nur eigene Werke, sondern auch die von Menschen, die ihm viel bedeuten und einen Teil seines Lebensweges mit ihm gegangen sind und in allen Räumen hängen und stehen weitere Bilder, zum Teil hintereinander, weil in jahrzehntelanger Arbeit so viele Bilder entstehen, das man sie gar nicht anders lagern kann, als irgendwann in Stapeln.

Wir wurden durch alle Räume des Ateliers geführt und bekamen einige Bilder erklärt – aber insgesamt gibt es dort so viel zu entdecken – ich könnte dort Tage verbringen und würde mit strahlenden Augen diese unglaubliche Fülle entdecken. Was uns beeindruckt hat, war wirklich die Vielfalt. Wie kann ich das am Besten erklären? Nehmen wir Monet, mit dem sind meine Kinder über eine lange Zeit quasi groß geworden und der ist recht bekannt. Monet hat in seinem Garten viele Bilder gemalt, die man heutzutage als Postkarten und Kunstdrucke bekommt. Wer noch überlegt, wer Monet ist (oder „welcher war das noch mal???“) – dass ist der mit den Seerosen. Würde man 10 verschiedene Kunstdrucke von Monet vor sich liegen haben, hätte man zwar verschiedene Motive. Aber man hätte bis auf vielleicht ein oder zwei Ausnahmen immer die gleiche Art und Weise, wie er – mit stetig wachsenden Sehproblemen – seine Bilder gemalt hat. Das, was die meisten Menschen von Monet zu sehen bekommen, sind als immer nur seine bekanntesten Werke – und die sind halt irgendwo alle gleich.


Wer im Atelier von Herrn Wagner steht, bekommt die volle Breitseite ab. Da gibt es Ölgemälde in hellerem Gesamtton und im dunkleren Gesamtton. Es gibt welche mit grober sichtbarer Malstruktur – und welche mit weit feinerer Malstruktur. Es gibt einige Portraits – und es gibt Bilder von Landschaften, Dörfern, aus Neuruppin – oder auch vom Großstadtleben zum Beispiel in London oder Paris. Es ist durchaus ein Unterschied, ob man Getreidefelder, Feldränder und Büsche malt – oder den Picadilly-Circus in London mit Doppeldeckerbus und Leuchtreklame. Es ist ein Unterschied, ob man einen Menschen malt (also so, das es leicht erkennbar ein bestimmter Mensch ist und nicht in eine Mischung aus Keith-Hearings moderne Lebkuchenfiguren und unproportioniertem Strichmännchen ausartet) – oder ein Haus.



In den 70er und 80er Jahren hat er sich thematisch mit der Tragödie von Goethes Faust auseinander gesetzt.Auch von diesen Bildern gibt es welche im Atelier – und es ist schon beeindruckend, wenn man über Jahrzehnte das „werden“ eines Künstlers betrachten kann. Ich kenne die Tragödie nur zum Teil, weil ich keine Schule besucht habe, auf der man sich damit auseinander setzen musste. Das, was ich von Faust kenne, ist insbesondere von einem Alleinunterhalter mit Namen Juranek, der die komplette Geschichte auswendig konnte und damit aufgetreten ist. Und wenn es zu Silvester in einer Kneipe war und ein Whiskyglas den Totenschädel ersetzen musste.

Es gibt ja nicht nur die Ölgemälde in dem Atelier, auch viele, viele, viele Bilder aus Ölpastell stehen, liegen und stapeln sich, auf einer großen Platte sind die Kartons mit den Ölpastellkreiden, da leuchten meine Augen so groß, da kommt kein Weihnachtsbaum mit! Ab und zu taucht beim Betrachten eines Bildes dann der Gedanke in Herrn Wagner auf, dass er in diesem und jenen Part des Bildes noch etwas verändern könnte. Dann kommt es auf die Staffelei, es wird an dem Bild weitergearbeitet – und wenn das Gefühl da ist: „So ist es erst einmal gut!“, dann wird es wieder weggestellt. Vielleicht bis zum nächsten Gedanken: „Ach, da könnte ich...“. So dauert die Arbeit an Bildern mitunter über Jahre. Es wächst.

Kaltnadelradierung


Nick als Blogfotograf hat einige Bilder gemacht. Nick hat fotografiert, was ihm wichtig ist und weil eine Digitalkamera ein Display hat, konnte er seine Bilder dann auch sofort zeigen. Er fand es toll, das Herr Wagner und seine Lebensgefährtin Frau Dr. Rudel, ebenfalls ein sehr sympathischer Mensch, sich die Bilder angeschaut haben, das hat ihn sehr beeindruckt. Sicherlich ist es auf den ersten Blick sehr irritierend gewesen, das da jemand kommt, mit einer Idee von einem Adventskalender – und dann auch noch ein Kind mitbringt (das ja eigentlich schon lange keines mehr ist). Aber wie – wenn nicht irgendwo auch auf solche Art und Weise – will man verhindern, das Kunst wie Herr Wagner sie macht, mehr und mehr nur noch etwas für die „obere Seite der Schere in der Gesellschaft“ ist?

Man kann nur lieben, was man kennt – und wenn man etwas liebt, dann hat es auch einen Wert, es ist wichtig, man teilt die Freude und Begeisterung mit Anderen. In wie vielen Familien, die jeden Tag sehen müssen, das sie über die Runden kommen, spielt so etwas wie Kunst kaum oder gar keine Rolle mehr, ist „zu weit weg“ von Alltag, wo die größte Kunst darin besteht, finanziell über die Runden zu kommen. Wer in einem Land, das sich rühmt, vor langer Zeit mal das Land der Dichter und Denker gewesen zu sein, nicht auch ungewöhnliche Wege geht um Barrieren einzureissen, muss sich eben nicht wundern, wenn es immer weniger Lobby für alle möglichen Arten von (klassischer) Kunst gibt.

Überhaupt sind bei diesem Besuch auch irgendwo „Welten aufeinander geprallt“. Ein Adventskalender im Internet – „Wie geht das? Wir sehen sehen das ja gar nicht“. Sie bekommen ihn in Papierform. Interessant war für mich auch die Frage, wie die heutige Masse an verschiedenen Kunstformen empfunden wird, zum Beispiel Street-Art. Vor 20 Jahren gab es den Begriff wahrscheinlich kaum, heute sind Leute wie Banksy weltweit bekannt. Er nimmt es zur Kenntnis, allerdings gibt es in Neuruppin so etwas nicht. Ich würde sagen: das Angebot ist sehr überschaubar.

Wir hoffen, wir haben euch Bloglesern jetzt ein bisschen Lust gemacht, sich mit den Werken von Robert W. Wagner zu beschäftigen. Kunst ist für jeden Menschen da, egal ob groß, ob klein, ob reich oder arm. Es ist auch egal, ob man sich für besonders klug hält und mit tollen Begriffen um sich werfen kann – oder ob man einfach sagt: „Ich finde das und das Bild total schön!“ und gar nicht so genau erklären kann, warum man es schön findet. Es reicht doch völlig aus, etwas schön zu finden! Wer sich dann mehr und mehr mit Bildern befasst, die er für sich schön findet, erlebt, das er irgendwann in seinem Herzen und in seinen Gedanken auch die Worte dafür findet, WARUM er es schön findet.

Wer googelt, findet unter anderem den Auktionskatalog vom Friedrich-Jahr mit einigen Radierungen. Von der Edition Rieger gibt es zum Beispiel das kleine Büchlein „Ruppiner Impressionen“ das einen Teil seiner Werke zeigt und das Buch von „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ aus dem gleichen Verlag hat er ebenfalls illustriert.

Vielen, vielen Dank an Herrn Wagner und Frau Dr. Rudel für die gemeinsame Zeit!

















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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.