Mittwoch, 4. Dezember 2013

Adventskalender 4. Dezember


Was steht wohl über dieser Türe?
 


Gevatter Bestatter...

Als treue Leserin von Peter Wilhelms (Undertaker Tom)  Bestatterweblog  habe ich mir gedacht: Bestattungskultur ist auch eine Form von Kultur. Also habe ich beim ältestens Bestattungshaus in Neuruppin angerufen und einen Tag später saß ich bei Firma Weber um zu fragen, wie das so mit der Bestattungskultur ist.

Auf der Homepage ist zu lesen, dass es diese Firma schon seit 1953 gibt und sie mittlerweile in der 3. Generation besteht. Das ist sehr schön, denn auf dem Bestatterweblog habe ich schon oft von geschäftstüchtigen Francise-Nehmern gelesen, die so nett mit „Pietät Eichenlaub“ umschrieben werden und die zum Teil ob ihrer Art und Weise der oft bestmöglichen Gewinnmaximierung bei vermindertem Einsatz von Menschlichkeit und Herz die erste Generation nicht unbedingt überleben und ich wollte ja gerne eine Neuruppiner Geschichte.

Interessant sind die Unterschiede bei der Bestattungskultur zur DDR-Zeit zwischen Ost und West. Während es im Osten überwiegend Spanplattensärge gab war das im Westen anders. Firma Weber war aber in der glücklichen Lage, auch an „richtige“ Särge zu gelangen – was nicht einfach war, sich aber durchaus herumgesprochen hat. Ebenso hatten sie als eine der Wenigen überhaupt ein Telefon. Ruft man heute ziemlich selbstverständlich den Bestatter an um einen Trauerfall zu melden war es früher anders. Da mussten die Leute fast immer zum Bestatter kommen und bei Webers gab es deshalb auch „die gute Stube“, in der Weber-Senior sich dann mit den Angehörigen zurückgezogen hat um in Ruhe alle Sachen zu regeln.

Die Aufgaben des Bestatters waren zu DDR-Zeiten längst nicht so umfangreich wie heute. Im Endeffekt das Abholen des Toten, das Einsargen und zum Friedhof in die Leichenhalle bringen sowie einige Formalitäten erledigen. Den Rest erledigte der Totengräber. Er sorgte dafür, dass das Grab ausgehoben war, für Sargträger, Blumenschmuck und tröstende Worte. Heute ist der Beruf des Bestatters viel umfangreicher. Der Papierkram ist viel mehr geworden – und selbstverständlich kümmern sich Bestatter dann auf Wunsch auch um die Kündigungen von Versicherungen und so weiter, sie sind Seelsorger, Diplomaten, organisieren Feiern von klein bis groß und beherzigen gerne auch besondere Wünsche. Gesetze und Vorschriften die es zu beachten gilt sind ebenfalls viel mehr geworden und heute gibt es dann auch so interessante Begriffe wie Thanatologie und Embalming, wer „six feet under“ geschaut hat, weiß in etwa, das ein Thanatologe Tote konserviert und herrichtet. Webers selbst sind keine Thanatologen, abeiten aber auf Wunsch mit einem zusammen.

Als 3. Generation sind Lutz und Frank Weber in den Beruf hineingewachsen. Schon mit 15 wurde zwischendurch mitgeholfen und sich so das nötige Geld fürs Moped zusammengespart. An einer Wand hängen alte Fotos – die 1. und 2. Generation ebenso wie Bilder der bisherigen Bestattungsfahrzeuge. Die Webseite gibt es erst seit einem Jahr, auch ein Traditionsunternehmen muss mit der Zeit gehen und wo man sich bei den Altvorderen noch auf Mundpropaganda verlassen konnte, informieren sich heute viele Leute erst einmal im Internet, wen es da so gibt. Das ist verständlich, das mache ich ja auch meistens und so bekommt man auf der Seite schon mal einen sehr informativen Überblick über alles Mögliche rund um Tod und Bestattung. Sehr berührend finde ich ein Bild mit einem Motorradfahrer und einem Hund, auf dem „Wenn ich meine letzte Reise mache, kümmert euch um meinen besten Freund“ steht. Es hängt im Bestattungsinstitut über dem Schreibtisch.

Zum Leben gehört der Tod. Hatte der Mensch die Chance, wirklich alt zu werden, ist der Tod selbstverständlich angesehen. Der Mensch hat sein Leben lange gelebt, Höhen und Tiefen erlebt und kann damit auf ein mehr oder minder erfülltes Leben zurückblicken. Manch ein Mensch in höherem Alter wünscht sich auch irgendwann, das er endlich gehen darf und sagt: „So langsam ist genug!“ - das habe ich selbst schon erlebt. Eine wunderbare alte Dame die Nick und ich einige Zeit betreuen durften hatte einfach keine Lust mehr zu Leben. Familiärer Hickhack, die so völlig veränderte Welt, Ehemann verstorben, Tochter verstorben und dem Enkel war letztlich das Erbe wichtiger als der Mensch. Alt werden ist nicht immer eine Gnade.

Weit schwerer wiegen dagegen die frühen Tode. Sei es durch Unfall oder eine Krankheit. Tote Kinder bewegen auch einen gestandenen Bestatter. Insbesondere dann, wenn er selbst welche hat. Selbst wenn man länger die Chance hat, sich damit auseinander zu setzen, dass ein Kind bald sterben wird... es gibt den Verstand, und es gibt das Herz. Selbst wenn der Verstand sagt: „Es ist besser so!“ überschwemmt das Herz einen mit einer maßlosen Trauer. Auf Nicks 6. Geburtstag waren 3 Gastkinder: Lena, Tom und Jonas. Alles Kinder, die sich von der Kinderonkologie her kannten. Nick ist von allen der Einzige, der noch lebt.

Auch Unfälle reissen Menschen plötzlich und unerwartet aus dem Leben und hinterlassen Menschen, denen der Boden unter den Füßen weggerissen wurde und Andere, die fassungslos sind und über denen oft ein großes gedankliches „Warum?“ kreist. Herr Weber hat damit seine ganz eigene Erfahrung – und plädiert dafür, das auch in der Zeit der anonymen Bestattungen, des „wir nehmen die Billigversion der Kremierung in Tschechien und kippen die Asche gleich dort irgendwo hin“ - auch an diejenigen gedacht wird, die so einem Menschen nahe standen und gerne einen Ort zum Abschied nehmen und trauern hätten. Auch wenn ich den finanziellen Aspekt und den, das Familien heutzutage oft weit verteilt wohnen, durchaus verstehen kann - aber ich finde, es ist auch, als ob ein Mensch irgendwie ausradiert wird. Von Düsseldorf aus gibt es übrigens Butterkuchenfahrten zu einem niederländischen Krematorium. Organisiert von einem Bestatter, der mit Leiche im Auto vorweg fährt, der Reisebus mit interessierten Senioren hinterher, die sich dann die Kremierung angucken. Für alle, die wissen möchten, wie so ein Krematorium funktioniert: bitteschön, das Krematorium Berlin.

Hatten früher die Erdbestattungen einen Anteil von 80 % und die Feuerbestattungen einen von 20 % ist es mittlerweile umgekehrt. Der große und wirklich schöne Friedhof an der Wittstocker Allee hat große Flächen für Urnengräber und sich damit dem Trend angepasst. Dazu kommt, das ein Sarg in Brandenburg binnen 10 Tage unter der Erde sein muss. Mitunter hat man aber das Problem, das nicht alle Angehörigen, die gerne Abschied nehmen möchten, dann auch schon beisammen sind. Eine Einäscherung bietet im absoluten Notfall dann die Möglichkeit, noch ein bisschen zu „schieben“. Die Asche ist steril – ein Leichnam beginnt sofort mit dem „der ist jetzt tot“-Status zu verwesen. Entsprechend gibt es nicht nur eine Auswahl an verschiedenen Särgen, sondern auch eine Auswahl an verschiedenen Urnen, von schlicht bis kitschig.


Das Angebot an Urnen

Firma Weber, so wurde mir dann ganz stolz erzählt, war dann hier auch der erste Bestatter mit „West-Särgen“. Zwei davon wurden in ein Schaufenster gestellt – und waren ein so großer Kontrast zu den Spanplattenmodellen, das sie wohl ganz schön Aufsehen erregt haben. Dazu kam – diese Westsärge konnten bis zur Währungsunion in Ost-Mark erstanden werden. Mittlerweile sind die einfachsten Särge die, die zur Kremierung genommen werden. Es sind schlichte Holzsärge aus unlackiertem Holz und ohne Verzierungen – was sehr praktisch sein kann, wenn man einen Sarg noch selbst gestalten möchte. So wurde der Sarg eines Alt-Ruppiner Pfarrers mit Bildern aus seinem Leben verziert. Aus dem Bestatterweblog kenne ich die Geschichte, das Kinder nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters dessen Sarg über und über mit Sonnenblumen bemalt haben. Trauer und Abschied ist eben mehr als „Deckel zu“, ein paar nette Worte und Butterkuchen essen. Warum soll ein Mensch, dessen Leben oft bunt und fröhlich war in etwas beerdigt werden, was ihm eigentlich gar nicht entspricht?Aktuell gibt es ein Bild vom Sarg des Kabarettisten Dieter Hildebrand, dessen Enkel seinen Sarg ebenfalls mit Bildern bemalt haben.

Die Sargausstellung


Ebenso müssen es nicht immer Pastoren oder Trauerredner sein, die Reden halten. Wenn wirklich nur wenige Trauernde da sind – so Herr Weber – dann wäre es doch Unsinn, dem Trauerredner von dem Menschen zu erzählen, den man selbst am Besten kannte und der erzählt einem dann genau das wieder. So fand ich auf der Trauerfeier von Omi Röbken sehr berührend, als die Enkelin eine Anekdote mit der Oma erzählt hat – und es ist so wichtig, wenn man in der ganzen Trauer dann trotzdem die Möglichkeit hat, ab und zu wenigstens zu Lächeln. Ein guter Freund hat es als riesige Erleichterung empfunden, als ich auf die Frage des Pastors bei der kleinen Feier, ob noch jemand etwas sagen möchte, aufgestanden und nach vorne gegangen bin. Es war zwar sehr emotional für mich, aber es war mir wichtig zu erklären, warum ausgerechnet Menschen, die im Leben komplett abgestürzt sind, meine besten Freunde waren. Weil sie wussten, wie das ist, wenn sich im Leben plötzlich alles ändert – und sie für uns da waren. Es sind vor allem die kleinen, normalen Dinge, die dem Leben einen großen Wert verleihen. Nicht nur das Große, Spektakuläre.

Eine Trauerfeier sollte das widerspiegeln, was dem Menschen, von dem man dort Abschied nimmt, gefallen hat. Und wenn jemand gerne Heavy Metal gehört hat, dann ist es durchaus in Ordnung, auch so einem Musikgenre zu schauen, was man für die Trauerfeier nehmen könnte. Lena hat in der letzten Zeit vor ihrem Tod das Musical „Der kleine Tag“ rauf und runter gehört und ihr gefiel besonders das Stück über den Abschied sehr gut. Das Stück wurde zweimal auf der Trauerfeier gespielt. Ich kann es heute immer noch nicht hören, ohne das ich sehr traurig werde und an sie denke. Ruben, ein kleiner Punker aus Nicks alter Schule stand total auf Metallica und Co. Ein großartiger Mensch mit einer enormen Ausstrahlung, der allen, die ihn kennenlernen durften, viel gegeben hat. Sein Name steht sogar in Art der Metallica-Schrift auf seinem Grabstein – warum auch nicht?

Es ist gut, das sich die Bestattungskultur ändert und eine größere Vielfalt an Möglichkeiten zulässt. Serien wie six-feet-under (die so gar nichts mit der Realität zu tun haben) oder „Gestorben wird immer“ nehmen den Tod von einer anderen Seite wahr. Nicht immer nur als dunkel, mystisch und bedrohlich. Mich beeindruckt immer, wie viele Leute sich bei Peter Wilhelm dafür bedanken, das er ihnen durch seine Arbeit mit dem Bestatterweblog sehr geholfen hat. Egal ob es um Bestattungsvorsorgen, Verfügungen, menschliche Geschichten wie die von Günther, das Erklären von Abläufen beim Bestatter oder seine qualifizierte Meinung zu reißerischen Fernsehbeiträgen ist.

Immer wieder werden Bestatter als Aasgeier hingestellt, die im „geheimnisvollen Hinterstübchen“ sonstwas mit den Toten anstellen. Warum sollten sie? Natürlich gibt es auch bei Bestattern schwarze Schafe. Wie in jedem anderen Beruf auch. Wenn man Bedenken hat, das ein Bestatter den Toten wirklich schlecht behandelt – warum macht man es zum Teil nicht selbst und fragt, ob man Helfen kann? Auch das ist ein Stück Abschied nehmen. Sicherlich ist es auch nicht immer einfach, sich mit dem Thema Tod zu befassen. Aber wer sich vorab informiert, was bei tausenden anderen Dingen so selbstverständlich ist, wird im Bedarfsfall ein paar Probleme weniger haben. Wer sagt: „Das könnte ich nicht!“ sollte überlegen, das er vorher weit besser kann als wenn das Leben ihm erklärt: „Ist mir völlig egal, ob du denkst, das du das nicht kannst – du musst es JETZT trotzdem tun!“ und dieser Mensch vor vollendete Tatsachen gestellt wird.

Also, informiert euch vorab. Das ist auch bei Bestattungen nichts Schlimmes und bewahrt vor manch unliebsamen und mitunter vielleicht auch unerwartet teuren Überraschung und ermöglicht euch zudem, im Vorfeld mal darüber nachzudenken – ja was wäre eigentlich, wenn? Der Mensch lernt im Leben nie aus – und ich habe bei Herrn Weber in kurzer Zeit sehr viel gelernt, an das ich sicherlich noch oft denken werde und bedanke mich ganz herzlich für die Zeit, die er sich genommen hat. Ihr findet im Artikel viele Verlinkungen. Vielleicht erleichtern sie manch einem, sich mit dem Thema auseinander zu setzen.























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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.