Freitag, 22. April 2022

von Ostern, Ärzten und Essen

 

Ne, wat schöööön, Ostern 2022


Also eigentlich ist Ostern dieses Jahr bei uns ausgefallen, weil „is nich“ und „keine Lust“ und überhaupt, wir haben andere Sorgen. Aber mein mitunter etwas alberner Kopf hatte vor Ostern noch richtig viel Spaß daran, sich am Wort „Kreisverbandsarzt“ auszuleben. Eckig kann der nicht und eiförmig wird bestimmt auch schwer. Königsdisziplin wird dann wahrscheinlich „Stichwunden“ sein, bei der eine Dartscheibe mit mehreren Pfeilen vernünftig verbunden wird. 


Ostern als Kreisverbandsarzt ist jedes Jahr eine besondere Herausforderung


Ein Ostergeschenk gab es dann doch, über das ich mich gefreut habe: Es kam ein Päckchen aus Leipzig von der Schäferin Sandra, die noch ein handgroßes Stück Kirschholz vom im Sturm umgewehten Baum ihrer Streuobstwiese hatte. Das habe ich bekommen, weil sie die Fotos von den Sachen sieht, die durch meine Hände entstehen. Ich finde es ganz spannend, verschiedene Hölzer zu verarbeiten, allerdings sind Harthölzer wie Buche oder Eiche super anstrengend zu schnitzen und dann macht es keinen Spaß mehr. Wusstet Ihr, das Sägespäne „Männerglitzer“ sind? Ist das nicht ein total schönes Wort?!


 


Mein Osterüberraschung: ein Stück Kirschholz

Aber der ganze Schokokram etc. ist dieses Jahr weggefallen, auch weil Nick das derzeit nicht darf. Und ich zu dick werde. Samstag waren wir nachmittags mit Kai und Marie grillen. Da Nick wegen der Chemo mit dem Essen aufpassen muss, haben wir noch einen Sack Kartoffeln gekauft und Pellkartoffeln mitgebracht. Von einigen Dingen darf Junior gar nichts, von anderen ein paar Gramm und wieder andere sind erlaubt, im Prinzip geht es um einen Stoff der sich Tyramin nennt. Tyramin ist etwas, dass bei der Verarbeitung von Lebensmitteln durch die stattfindenden chemischen Prozesse entstehen kann. Wenn z. B. Eine Banane so reift, bis sie braun wird, ist das ja im Grunde ein chemischer Prozess. Bei einer Banane entsteht dabei ebenfalls Tyramin. Ebenso bei ungekochten sauer eingelegten Dingen oder bei fermentierten Dingen, wie z. B. Käse. Frischkäse geht noch, aber Schimmelkäse wie Brie und Camenbert oder Hartkäse wie Gouda geht nicht. Frische weiche Salami geht, harte Salami nicht. Frisch gekochte Sachen aus den erlaubten Dingen gehen, Reste sofort in den Kühlschrank und binnen 24 Stunden aufessen.

Das ist jetzt mit einem großen Topf voll Bologneseeintopf etwas blöd gelaufen, weil das Essen noch 3 Stunden lang zu warm für den Kühlschrank war. Aber da der mild gewürzt ist, teilen Joey und ich uns den Rest und für Nick wird frisch gekocht. Also falls er nicht schon wie heute, schon das Frühstück quer durch die Küche kotzt und nachmittags dann nochmal alles vollkotzt. Dann gibt’s nur Salzstangen und wir müssen gucken, was drin bleibt. Frisch gepresster O-Saft bis 100 Milliliter geht, gekaufter geht nicht. Laut Medikationsplan geht Cola nicht, laut Recherche geht Cola doch. Da es eines der wenigen Dinge ist, die Nick trinkt, gibt es – wie üblich - WENIG Cola. Es ist ein bisschen Kuddelmuddel und das Blöde ist einfach, dass ich mir die wirklich wichtigen Informationen selbst aus dem Internet suchen muss. Tyramin kann übrigens Migräne auslösen und muss auch bei einem bestimmten Wirkstoff von Antidepressiva vermieden werden. Aber das Raussuchen ist nur blöde und kein Berg, weil irgendwann hatte ich da ja mal eine zweite Ausbildung in dem Bereich angefangen und das war sehr spannend. 

Nachdem heute dann beide riesen-kuschel-Decken-Pullis, kurz: „Oodies“ vollgekotzt wurden, trägt er jetzt meinen und ich habe noch welche nachbestellt. Einen dicken, zwei aus Flanell und einen Surfponcho aus Frottee, der ist nach dem Duschen ganz praktisch (auch weil ich den Fön reinhalten kann und damit das Abtrocknen schneller geht). Fast alle Kuscheljacken passen mittlerweile nicht mehr – und wenn er sich in den Kuscheldingern wohl fühlt und die weder Schmerzen noch Würgereiz auslösen, dann soll er sie tragen. Meine zweite Lieblingsweste trägt er mittlerweile auch schon, wenn wir unterwegs sind, die passt nämlich über so ein Teil.

Die Auswirkung von Tyramin wäre bei Nick unter anderem Bluthochdruck. Aber es blockiert auch irgendwelche Aufnahmen von Medikamentenwirkstoffen oder haut da anderswie richtig übel quer. Deshalb stocken wir unser häuslicher Pflegearsenal jetzt mit einem Blutdruckmessgerät auf, dass eine App-Aufzeichnung hat. Zu sagen: „Gibt dann halt vielleicht Bluthochdruck“ ist eben doof, wenn ich nicht weiß, wie der Normalwert ist und keine Gelegenheit habe, irgendwie zwischendurch mal zu kontrollieren. (Oh, da ist ein komisches Zeichen beleuchtet, erst mal gucken, was das bedeutet.... UNREGELMÄSSIGER HERZSCHLAG. Ah ja...)

Letztlich waren die letzten zwei / drei Wochen dann wieder so voller Erlebnisse aus dem medizinischen Bereich, dass ich immer noch in Gedanken auf den blöden Erlebnissen herumkaue wie auf einer alten Schuhsohle. Ich verstehe das „warum ist jemand so scheiße drauf?“ nicht. Je problemloser die Patienten, desto schneller sind sie abgefertigt. Bei mir waren es etwa 3 Minuten. Schnell, schnell, schnell, Diagnose um die Ohren hauen und verschwinden. Ich weiß bis heute nicht, wie der Arzt heißt, weil er nicht zu den Fotos von dem Praxisteam passt. Aber da ich für ihn offensichtlich ein Stück menschlicher Müll bin, werden wir uns ohnehin nicht wiedersehen. Tut mir leid für die Mühe, die sich gemacht wurde, damit ich den Termin bekomme. 

Auf Twitter hat heute eine Ärztin geschrieben, sie hätte sich Zeit genommen, einer Patientin mit nicht herauszufindender Diagnose einfach mal zuzuhören. Die Patientin hätte sich dann mit den Worten: „Sie sind der erste Arzt, der mir wirklich zugehört hat!“ bedankt. Nach einer wahren Ärzte-Odysee. Es gab darauf viele Berichte von anderen Ärzten, die ähnliches erlebt haben und von Menschen, die als Patienten am „nicht zuhören können“ der Ärzte mehr und mehr verzweifeln. Ich bin also in guter Gesellschaft.

Es ist völlig in Ordnung, wenn ein Mensch sagt: „Ich habe Angst vor dem Zahnarzt, kennt jemand einen, der gut mit Angstpatienten umgehen kann?“. Das ist überhaupt kein Problem, man bekommt Tipps wer das gut kann und niemand sagt: „Du stellst dich einfach nur blöd an!“ oder „Du willst ja nur nicht!“ oder macht sich über dich lustig. Ein Problem wird es nur, wenn man grundsätzlich Angst vor Ärzten hat. Dann ist das alles nur blöde Anstellerei und man soll sich nicht so haben und wenn man all die super Ratschläge nicht befolgt, die Menschen einem geben, die sich nicht einmal im Ansatz vorstellen können, wie das so tatsächlich ist, dann will man einfach nur nicht.

Tja, dann ist das wohl so. Dann kennen einen viele Menschen, die oft nicht einmal im Ansatz wissen, was alles passiert ist und warum manche Dinge so sind, wie sie sind, mich wohl viel, viel besser als ich mich selbst. Und ich lebe mit mir nun schon 54 Jahre. 

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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.