Sonntag, 5. Juli 2015

Garen mit Niedrigtemperatur...


kennt ihr das? Vor einigen Jahren habe ich davon das erste Mal gehört. Wer seine klassischen Fleischgerichte mit Temperaturen von 180 Grad oder so zubereitet, kann sich wahrscheinlich kaum vorstellen, das es auch mit Temperaturen weit unter 100 Grad geht. Aber es funktioniert! Natürlich dauert es entsprechend viel, viel länger – aber, so ist allenthalben zu lesen, es lohnt sich, die Braten werden supersaftig und schrumpfen nicht! Klingt doch richtig lecker – zumindest, wenn man keiner dieser militanten Veggi-Anhänger ist – oder? Aber bevor ihr denkt: „Scheiße, jetzt verkommt das hier auch noch zum Koch-Blog...“ - wie komme ich denn eigentlich darauf? Wahrscheinlich ahnt ihr es sowieso schon: Das leidige Thema „Hund im Auto“. 


Farinos Züchterin hat gestern auf Facebook ein Video geteilt, das irgendwer in einem anderen Land aufgenommen hat. Ein Auto vor IKEA, ein paar Leute drumherum – und ein Hund im Kofferraum, dem es sichtlich nicht mehr gut ging. Es war nicht einmal Hochsommer, der Bekleidung von den Menschen nach zu urteilen, dafür waren die viel zu dick angezogen. Ein Polizist hat erst eine Seitenscheibe von dem Wagen eingeschlagen um eine Türe aufzubekommen, Leute haben sich hineingezwängt und versucht den Hund mit Wasser zu kühlen, dann abgedeckt, damit die Heckscheibe eingeschlagen werden kann um den Hund da heraus zu bekommen. Und immer wieder der Hund, ein Boxer, wie er auf der Seite liegt, hechelt und sich weiter nicht mehr regen kann. Irgendwie komisch geformt, so unnatürlich... dann Kameraschwenk auf die Leute, die zum Teil da stehen, fassungslos sind und weinen. Dann wird der Hund aus dem Auto geholt, er kann wirklich nichts mehr ausser im Todeskampf nach Luft ringen. Er sieht nicht mehr die Menschen, die heulen und den Anblick ihr ganzes Leben lang wohl nicht mehr vergessen werden, das jemand die Scheibe eingeschlagen hat... auch das wird er nicht mehr mitbekommen haben. In der Beschreibung steht, er war drei Stunden im Auto.


Ich habe dann die Tabelle mit der Hitzeentwicklung im Auto auf Facebook verlinkt. Das, was man dann halt eben so macht, wenn man betroffen ist und darauf hinweisen möchte. Aber irgendwann habe ich angefangen zu überlegen – WAS passiert eigentlich GENAUER, wenn so einem Hund zu warm wird? 






Dazu brauchen wir erst einmal so etwas wie einen „Ist-Zustand“: Die normale Körpertemperatur eines Hundes beträgt 39 Grad Celsius. Ein Hund kann nur über die Pfotenballen und über den Nasenspiegel schwitzen, also über im Vergleich zu seiner Körpergröße sehr kleine Flächen. Eine weitere Wärmeableitung des Hundes ist das Hecheln, bei dem feuchte warme Luft von tief unten aus den Lungen nach draußen transportiert wird. Hunde können im Normalfall eine Aussentemperatur von bis zu 28 Grad Celsius damit ausgleichen, wenn sie sich entsprechend anpassen dürfen.


Wie funktioniert das Hecheln eigentlich genau?


Jeder hat schon einmal einen Hund gesehen, der seine Zunge heraushängen lässt und dessen Atemfrequenz sich erhöht hat. Die Atemfrequenz ist die Anzahl der Atemzüge pro Minute. Ein Hund, der sich nicht anstrengen muss, holt etwa 30 Mal pro Minute Luft. Das reicht dann um alle Körperfunktionen stabil zu halten. Strengt ein Hund sich an, steigt diese Frequenz auf bis zu über 300 oder gar 400 Atemzüge pro Minute an, was einem Hundehalter ganz schön Sorgen machen kann!

Wenn ein Mensch über längere Zeit schnell atmet, kann es sein, dass er „hyperventiliert“. Hyper ist das altgriechische Wort für „über“ und ventilieren kommt aus dem lateinischen für „fächeln“. Wer hyperventiliert sorgt durch eine schnelle Atmung dafür, dass mehr CO2 ausgeatmet wird, welches dann im Blut fehlt. Dort ist es als Kohlensäure gebunden – und wie man es schon an der Formel sehen kann, wenn man davon etwas wegnimmt, dann bleibt immer noch ein Rest – und der ist dann im wahrsten Sinne des Wortes sauer und reagiert sich ab. Dadurch kann z. B. Der Hirnstoffwechsel so beeinflusst werden, dass es zu Krämpfen kommt. Will kein Mensch erleben. 





Warum aber hyperventilieren Menschen, wenn sie eine zu hohe Atemfrequenz haben – aber nicht die Hunde, die eine viel höhere Atemfrequenz erreichen können? Die Antwort ist, dass Hunde durch die Nase einatmen – und beim Hecheln durchs Maul ausatmen. Nicht umsonst ist die Erste-Hilfe bei hyperventilierenden Menschen, in eine Tüte zu atmen, die Hände vors Gesicht zu halten, oder zu versuchen, nur durch die Nase ein und aus zu atmen. Denn alles das begrenzt das Luftvolumen. Stellt euch vor, ihr müsstet gähnen... wieviel Luft dabei eingesogen wird! Das schafft ihr mit der normalen Nasenatmung halt nicht.

Es gibt noch ein sehr spannendes Wort, auf das ich im Rahmen der Recherche gestoßen bin. Das heißt „Totraumventilation“. Diese Totraumventilation bezeichnet den Luftaustausch in den Bereichen der Atemwege, wo kein Gasaustausch stattfindet, „sondern nur Leitungen liegen“. Also alles, bis auf die feinen Äste in den Lungenflügeln wo die Lungenbläschen Sauerstoffmoleküle annehmen und Kohlendioxidmoleküle zur Entsorgung rauswerfen.






Ein hechelnder Hund versorgt seine Lungenbläschen also normal mit Sauerstoff – fährt aber die Totraumventilation zur Wärmeableitung hoch und um eine möglichst große Fläche zu haben, die diese feuchtwarme Luft auswirft, macht er seine Schnauze weit auf und zieht die Lefzen dabei hoch. Das wird von den Menschen oft als „grinsen“ oder „lächeln“ bezeichnet. Glaubt mir, selbst ein Hund der verzweifelt nach Luft ringt „grinst“ - und dem ist bestimmt nicht nach: „Boah, was für ein geiler Tag heute, Partyyyy!“. Da entlang der Schleimhäute auch die Blutbahnen verlaufen, die das Gehirn des Hundes versorgen, ist das Hecheln gleichzeitig eine Art „Gehirnkühlung“. Wenn denn die äusseren Umstände stimmen.

Hunde die hecheln verbrauchen dabei viel Wasser. Bis zu ein Liter Wasser pro Stunde geht durch das Hecheln drauf – und dieses Wasser fehlt den Hunden dann für wichtige andere Dinge im Körper. Deshalb ist es enorm wichtig, das sie bei Hitze oft trinken können. Denkt also daran, das nicht nur ihr als Menschen unter der Hitze leidet und mehr Durst habt, sondern Hunde auch. Wenn ein Hund anfängt zu hecheln, produziert er automatisch mehr Speichel, damit die Schleimhäute im Maul nicht austrocknen.


Was passiert aber jetzt, wenn ein Hund die Wärme nicht mehr ausgleichen kann?


Wie schon oben erwähnt, können Hunde Temperaturen bis 28 Grad mit ihren Möglichkeiten zur Wärmeableitung ausgleichen, wenn man sie lässt. Steigt die Umgebungstemperatur, steigt auch die Körpertemperatur des Hundes, weil die Wärmeableitung eben nicht mehr so funktioniert. Dann schaltet der Körper des Hundes auf einen Notfallplan um um zu retten, was irgenwie zu retten ist: er zieht Blut aus dem inneren des Körpers ab und pumpt es vermehrt in die Hautschicht. Denn das Blut ist ja warm und je dichter es an der Hautoberfläche ist, desto eher besteht die Chance, dass die Wärme durch Luftbewegungen etc. abgebaut werden kann. Blöder Weise werden dadurch die inneren Organe nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt – also kann so ein „Notfallplan“ kurzfristig ganz sinnvoll sein, aber es ist halt ein „Retten was zu retten ist“ - eine Chance. Ein: es KANN gut gehen, MUSS es aber nicht.


Hier komme ich noch einmal auf die Tabelle zurück:



Und zwar geht es um die Innentemperatur eines Autos, NICHT um die Sauerstoffzufuhr nach dem Motto: „Na ja, lass ich da mal ein Fenster ein bisschen offen!“. Denn so etwas ändert an dem sich aufbauendem Backofen dort nicht wirklich etwas!

Wenn ich aktuell auf die Wettervorhersage gucke, haben wir „Neuruppin, sonnig, 34 Grad“, Höchsttemperatur für heute ist mit 36 Grad angegeben. 




Aber, WAS passiert denn nun mit in so einem Hundekörper, wenn er zu sehr überhitzt, warum ist das lebensbedrohlich und weshalb stirbt ein Hund (Katze, Maus, Meerschwein, Huhn, Mensch... kurz: Lebewesen) dann?

Dazu müssen wir wieder einen Ausflug in die Biochemie machen und uns mal die wichtigsten Bausteine des Leben angucken, die Proteine. Allgemein auch „Eiweiß“ genannt. Damit ist in dem Fall nicht das Eiklar eines Eies gemeint, sondern etwas viel, viel, viel kleineres – ein Molekül. Das Wort kommt vom lateinischen „molecular“ und bedeutet so viel wie „kleine Masse“. Wenn sich also ein paar Atome zusammenrotten, entsteht ein Molekül. Rotten sich die gleichen Atome zusammen, wie zum Beispiel Sauerstoffatome, entstehen reine Sauerstoffmoleküle (o2). Finden sich noch andere Atome ein, gibt es so eine Art Party und es entsteht zum Beispiel ein Wassermolekül (h2o), weil noch ein Wasserstoffatom dazu gekommen ist. Seht ihr oben auf dem Bild. 


Proteine bilden sich letztlich auch so – je nachdem, was der Markt an Atomen anbietet, bilden sich daraus verschiedene Proteine. Hat eigentlich sehr vereinfacht erklärt ein bisschen was von einer Legokiste – man kann gucken, was drin ist und daraus das bauen, was möglich ist und je nachdem, was man gebaut hat, kann es nur rumstehen und komisch aussehen, es kann mit zwei, vier oder noch mehr Rädern herumfahren, es hat ein Dach oder ein Fenster... egal was. Aber es ist immer aus den Legosteinen gebaut, die gerade vorhanden sind. Mal aus mehr, mal aus weniger. Wenn ihr nicht gerade anstrebt, Naturwissenschaften zu studieren ist so eine Erklärung eigentlich auch in Ordnung.

Proteine haben also je nach Zusammenbau ganz unterschiedliche Funktionen. Es gibt Proteine, die für die Körperstruktur und Bewegung zuständig sind. Kollagene zum Beispiel bestimmen den Aufbau einer Körperzelle und damit, wie das Gewebe eigentlich aussieht: ist es zum Beispiel faseriges Muskelgewebe oder eher schwammig-wabbeliges Lebergewebe? Haare, Nägel, Klauen, Hufe, Schuppen etc. bestehen aus Keratinstrukturen, auch das sind Proteinverbindungen. Dann gibt es ja noch den Stoffwechsel im Körper, dort übernehmen verschiedene Proteine Aufgabe wie den Transport von Stoffen wie z. B. Sauerstoff im Blut. Als Enzyme und Hormone sind sie Botenstoffe und Auslöser von verschiedenen lebenswichtigen Vorgängen in den Organen, als Blutgerinnungsstoffe sorgen sie dafür, das Wunden sich schließen und so weiter und so fort. Ihr seht – ohne funktionierende Proteine haben Lebewesen keine Chance zu leben.

Nun haben diese winzigen Wundermoleküle aber ein ganz großes Problem: Sie sind hitzeempfindlich! Wenn sie wärmer werden, gehen sie kaputt: sie denaturieren. Auch hier gibt es verschiedene Stufen, manche Hitzeschäden lassen sich wieder rückgängig machen, die sind dann „reversibel“ und manche eben nicht, die sind „irreversibel“. Hier kommen wir dann z. B. Zum Eiklar – das enthält auch Proteine und die werden in einer heißen Pfanne denaturiert.

Dabei kann man zuschauen, wenn nämlich aus dem durchsichtigen Glibber eine zusammenhängende weiße Masse geworden ist. Dann werden die Proteine so zerstört, das ihnen nicht mehr zu helfen ist. Proteine fangen bei einer Temperatur von 43 Grad an, kaputt zu gehen. Je länger sie der Temperatur ausgesetzt werden und je höher die Temperatur steigt, desto geringer die Chancen, da irgendwas „wieder flicken zu können“. Jede Körperzelle ist nun einmal auch aus Proteinen gebaut, die Zellen werden löchrig, die Proteine gerinnen, wichtige Funktionen der Zellen fallen aus und damit eine grundlegende Versorgung des Körpers.

Für einen Hund, der in einem heißen Auto gelassen wird bedeutet es zum Beispiel: 




- die heiße Luft, die er einatmet und ausatmet, zerstört die Zellen in den Atemwegen.

- die Hitze im Auto heizt seine Haut auf und zerstört die Hautzellen und mit zunehmender

Wärme auch die tiefer liegenden Schichten.

- die Körpertemperatur steigt und damit auch die Temperatur des Blutes

- da das Blut in die äusseren Hautschichten gepumpt 


- wird, werden die inneren Organe nicht mehr ausreichende mit Blut versorgt.

- dazu kommt ein massiver Flüssigkeitsverlust, Hirnschädigung, Bewusstlosigkeit

- rein theoretisch müssten die zerstörten Zellwände die Flüssigkeiten aus den Blutbahnen ins Gewebe laufen lassen (also wie bei einem Steak medium, mit der Gabel draufdrücken und es tritt breitflächig Blutsuppe aus...)

Damit wären wir wieder beim „Garen mit Niedrigtemperatur“. Beim Garen wird die Tatsache, das Proteine sich unter Hitze zersetzen dafür genutzt, Lebensmittel verdaulich oder auch erst genießbar zu machen. Denn die Hitze zerstört z. B. Zellwände oder Toxine (Giftstoffe).

Wenn rund 1,5 kg Schweinebraten, der nur aus Muskelfleisch besteht bei 75 Grad rund 5 Stunden braucht, um gar zu werden – was glaubt ihr, wie lange ein kleiner Hund benötigt, um in einem Auto in der Sonne durchgegart zu werden? Aber eigentlich... ich will´s gar nicht wissen.

Ansonsten solltet ihr bitte AUCH daran denken, wie heiß der Untergrund für Hundepfoten bei dem Wetter wird und das gerade auf Asphalt Temperaturen weit über 50 Grad schnell erreicht werden. Von uns würde da niemand barfuß drauf laufen – aber von den Hunden erwartet man es!

Ebenso daran denken – Menschen haben LANGE Beine. Je kleiner der Hund, desto mehr Schritte muss er machen um mit seinem Menschen mithalten zu können – und das strengt ganz schön an!



Mit Dank an die Quellen:

Wikipedia, planet-hund.de, wissen.de, Spektrum der Wissenschaft, Thieme-Verlag, TASSO.net, liliput-lounge.de  uuuuund chefkoch.de! 

Es kann gut sein, das in dem Artikel ein paar sachliche Fehler sind, Korrekturen dürfen mir gerne gemeldet werden, Fehler sind zum lernen da. Den ganzen Kram mit den Aminosäuren habe ich bewusst weggelassen. Wer also weiß, was Proteine mit Aminosäuren zu tun haben, darf sich glücklich schätzen ;-)


Erste Hilfe bei Hitze und Hund findet ihr via google, Rechtliches zum Einschlagen von Autoscheiben um ein Tier oder ein Kind aus einem heißen Auto zu retten auf zddk (zuerst denken, dann klicken) in mehreren Beiträgen. Bitte auf den Link klicken und die Seite generell öfters mal besuchen. Dankeschön! 

Es kann sein, das es auch bei diesem Artikel Nachträge gibt, also bei Interesse ab und an gucken und nach unten scrollen. 




















2 Kommentare:

  1. Ich bin so begeistert von Deinem Bericht und Deinen Zeichnungen. Viele Blogger haben die Infotafeln bekommen und schöne Beiträge geschrieben. Deinen Beitrag finde ich richtig klasse und super informativ. Ich habe das Angebot von Alexander von petfindu abgelehnt, weil ich keine Zeit habe, einen richtig guten und informativen Beitrag zu schreiben. Deiner gefällt mir wirklich richtig gut.

    Viele liebe Grüße
    Sabine mit Socke

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    1. Vielen lieben Dank! Das Lob freut mich wirklich sehr und die Arbeit an dem Artikel war wirklich sehr spannend und hat ein paar Tage gedauert :-D

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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.