Montag, 23. September 2013

„Sie sind aber reich – ZWEI Hunde!

Ich war letztens mit Farino und Joey unterwegs, als mich jemand genau mit diesen Worten ansprach. Ich war erst etwas verblüfft, denn das man so angesprochen wird – ich glaube, damit rechnen die wenigsten.

Wir haben uns dann kurz und sehr nett unterhalten – aber ich denke oft an die Worte und überlege dann, was FÜR MICH Reichtum eigentlich bedeutet. Auch wenn ich zwischendurch für einige Jahre einen „Ausflug“ gemacht habe und manchmal mitbekommen habe, wie es sein kann, mehr Geld als viele Andere Menschen zur Verfügung zu haben (was nicht bedeutet, das ich selbst die Möglichkeit gehabt habe) – Fazit: Geld ist nicht alles.

Es gab in diesen Jahren Dinge, die wirklich toll waren. Ich durfte Silvester auf Spitzbergen erleben und um Mitternacht in einem Eisfeld auf einem Hang sitzen, Rakteten aufsteigen sehen – und ein Fjord in unglaublichen Blautönen erleben. Eisbärspuren in freier Natur sehen, unglaubliche Schneemassen erleben – und der Hinweg war mein erster Flug überhaupt. Andere fliegen das erste Mal nach Mallorca, mein erster Flug war im tiefsten Winter auf vereisten Pisten und im Schneesturm gelandet. Auf Spitzbergen gibt es übrigens nicht nur Schlittenhunde, in Longyearbjen habe ich einen Dalmatiner gesehen, einen Labrador und einen Großpudel. Dort gibt es sogar einen Portugiesischen Wasserhund, von dem habe ich aber nur gehört. Schlittenhunde habe ich dort nicht gesehen, die leben ausserhalb der Siedlung. Getrocknetes Robbenfleisch ist gewöhnungsbedürftig, aber gar nicht mal so schlecht und überhaupt gibt es dort, fast am Nordpol, die beste Pizza der ganzen Welt. Solche Reisen sind Erlebnisse, die ich im Herzen aufbewahre. Denn da gehören sie hin.

Einige Monate später, im Sommer, habe ich Lappland erleben dürfen. Es gibt einmal im Jahr die Fjällraven Classic und an der habe ich zusammen mit meinem damaligen Freund teilgenommen. Es war unglaublich anstrengend, ich dachte ja, ich wäre fit – habe aber auf ganz böse Art und Weise gelernt, das ich es nicht bin. Jedenfalls nicht so, um die Classic mit ihren etwa 120 Kilometern durch Lapplands Tundra gut zu überstehen. Von 5 Tagen, die wir für die Strecke gebraucht haben, habe ich mich an drei Tagen vor Schmerzen in den Schlaf geheult, einmal sogar mit Schüttelfrost.

Es gab Lemminge unter den Wegeplanken, Rentiere als Frühstücksgäste, die an den Zelten vorbeigezogen sind und Mäuse, die sich im Pfannkuchenzelt an den Resten sattgefressen haben und manch einer hat diese Wahnsinnstour auch mit seinem Hund gemacht. Sogar auf dem Kungsleden gab es einen Portugiesischen Wasserhund! OK, es gab auch eine Trilliarde von Mücken. Aber... ich habe durchgehalten, auch wenn die Füße einfach nur wahnsinnig weh getan haben und ich über ein Jahr auf beiden Seiten einen Sehnenschaden hatte, der mir zum Teil das Laufen fast unerträglich gemacht hat.

Wenn man gerne unterwegs ist, einen Hund hat, der gerne läuft aber selbst monatelang kaum laufen kann ohne das einem vor Schmerzen schlecht wird, ist das ganz schön blöde. Geplant war noch ein Grönlandtrip, der aber wegen des Sehnenschadens ausfallen musste und wie das halt manchmal im Leben so ist, kommt sowieso alles ganz anders als geplant. Jetzt lebe ich mit Kind, Hunden und Meeries in Neuruppin, habe neu angefangen und freue mich zugegeben auf den WINTER!

Was ist also „Reichtum“ eigentlich – und sind die Leute, die wirklich viel Geld haben, tatsächlich zu beneiden? Ich kann nur für mich sprechen. Ich habe im Laufe meines Lebens mehrere Menschen kennen gelernt, deren Einkommen im Vergleich zu vielen, vielen Anderen jenseits von Gut und Böse ist. Sei es das ich durch meine Art und Weise einen sehr berühmten Fotografen kennen und schätzen gelernt habe, für und mit dem ich auch einige Zeit mal arbeiten durfte, sei es der ehemalige Industriemagnat, der meistens zu irgendwelchen Geburtstagen aufgetaucht ist um mit uns zusammen Tee zu trinken und Kuchen zu essen, Bankmanager oder was auch immer. Ich habe so etwas auch in der Familie. Nein, ich beneide sie nicht. Denn sicherlich mag es beruhigend sein, sich finanziell keine Sorgen ums Essen machen zu müssen und auch problemloser ein Dach über den Kopf zu bekommen – aber dieser Reichtum, der eigentlich ja eher als „Wohlstand“ zu bezeichnen wäre, ist viel zu oft viel zu teuer erkauft.

Mit Arbeitszeiten, die pro Woche 60 Stunden und mehr betragen, mit Stress, mit „nicht abspannen können“. Manchmal kommt es vor, das solche Menschen im Beruf so perfekt und fehlerfrei sein müssen, das sie zu Hause völlig anders sind und sehr darauf geachtet wird, das niemand anderes das mitbekommt, weil es „Risse in der perfekten Fassade“ geben würde. Oft ist auch keine Zeit für Freunde oder andere schöne Dinge im Leben, weil man viel zu fertig ist. Die Allermeisten haben einen gewissen Lebensstandart – und wenn der wegfällt, weil jemand arbeitslos wird und dank Überqualifikation keinen neuen Job bekommt, wird es schon problematisch. Auch das Umfeld guckt eigentlich viel genauer hin und erwartet viel mehr von Menschen, die finanziell besser dastehen. Überdies schaut fast jeder, der mehr verdient auf diejenigen herab, die weniger haben und denkt sich, er hat das Recht dazu, so ziemlich grundsätzlich über diese Menschen zu urteilen.

Beneidenswert? Nein. Für mich jedenfalls nicht. Es ist oft eine Welt für sich, manchmal leider eine sehr verlogene Welt die auch nur mit Wasser kocht und ich gehört dort nicht hin. Es ist spannend und interessant, dort „Gast“ zu sein. Aber das war es dann.

Wobei ich insbesondere in den letzten 10 Jahren seit Nicks schwerer Krankheit ebenfalls über Jahre Wochen mit mehr als 60 anstrengenden Stunden hatte und selbstverständlich danach Bereitschaft. Fortbildung war selbstverständlich, Unmögliches möglich machen ebenfalls. Nur... wenn eine Mutter das macht, dann ist das völlig normal und es kräht kein Hahn danach.

Ich bin auf dem Land groß geworden und wenn ich nicht mit den Hunden unterwegs bin oder zu Hause ist einer meiner allerliebsten Plätze ein Stall oder eine Weide. In Wuppertal hatte ich lange Zeit drei Pflegepferde, weil ich es irgendwann einfach vermisst habe. Zu meiner Familie gehörten neben meinem Mann und meinen drei Kindern auch Shetti Schröder, vom Zirkus aufgekauft und selbst eingefahren, Isi-Mix Titus, Clauni, die Bananenmilchkuh und viele Haustiere.

Für mich ist genau DAS eine Form von Reichtum. Denn was ich mit Kindern und Tieren gemacht und erlebt habe, dass kann mir niemand nehmen – und mitunter auch kaum einer nachmachen. Egal ob mit Farino in den Schulen, eine Biostunde mit Titus auf dem Schulhof, weil unser Pony ja schlecht mit in die Klasse kommen kann oder das ich mir für das Thema „Afrika“, das Nick in einer der Schulen hatte, ein zahmes Kamerunschaf ausgeliehen habe und alle Kinder darauf gewartet haben, was für ein afrikanisches Tier denn jetzt in der Schule auftaucht.

Unsere Tierärztin sagte mir mal: „Du packst wohl alles in ein Geschirr, was nicht bei drei auf einem Baum ist!“. So ähnlich. Meine Töchter sagen: „Ein Schwein hat uns noch gefehlt!“. OK, das lag aber auch nur daran, das es keine wirklichen Minischweine gibt, ich habe mich wochenlang schlau gelesen. Es ist ja nicht so, das ich nicht damit liebäugelt hätte, auch ein kleines Schwein auszubilden.

Reichtum sind für mich die kleinen und großen Dinge (Erlebnisse) im Leben, die es lebenswert machen, das Herz wärmen und ein Lächeln aufs Gesicht zaubern können. Ebenso aber auch, dass man aus dem, was man hat und was man kann, versucht für die eigene Situation und das eigene Leben das Beste daraus zu machen. Wenn man dann noch schafft, jemanden an so einem Reichtum der etwas anderen Art teilhaben zu lassen, dann ist es perfekt. Wenn man Reichtum also danach bemisst, bin ich tatsächlich sehr reich und die schönsten Komplimente, die ich in letzter Zeit gehört habe waren: „Du lachst jetzt viel mehr als zu der Zeit, wo wir uns kennengelernt haben!“ oder „Aufgeben kommt in ihrem Wortschatz nicht vor, so wie ich sie kenne!“.

An diesem Reichtum schätze ich, das er sich stetig vermehrt, je mehr ich lerne und erlebe - und vor allem, das man ihn mir nicht wegnehmen kann. Ich kann diesen – für mich – Reichtum sogar teilen – und er wird nicht weniger, sondern genau dadurch oft sogar noch mehr!

Was den finanziellen Reichtum anbelangt, ich werde es wohl nie sein – und ich möchte es auch nie sein. Dafür, das wir zwei Hunde haben (was so ja eigentlich auch gar nicht längerfristig gedacht war), verzichten wir auf Dinge, die für andere Menschen relativ selbstverständlich sind. Wir haben zum Beispiel relativ wenig Elektrogeräte und von denen, die wir haben, sind nur 5 jeden Tag im Einsatz (ehrlich!). Nicht, weil ich oberöko bin, sondern weil wir darauf verzichten können. Wir haben zum Beispiel keinen Fernseher. Das geht. Man kann tatsächlich ohne Fernseher überleben. Wir haben auch kein Auto mehr zur Verfügung und müssen fast alle Strecken laufen. Das braucht mehr Zeit, hält aber auch fit. Ich finde es eigentlich gut, das Dinge, die für manch einen alltäglich sind, für uns oft etwas besonderes geworden sind und man sie viel mehr schätzen lernt.

Es ist nicht schlimm für mich, weniger Geld als viele Andere zu haben, damit kann ich mich überwiegend arrangieren. Da gerade für ein Kind mit Handicap die Möglichkeiten der Teilhabe erfahrungsgemäß sehr eingeschränkt sind bin ich ohnehin dafür zuständig, die Stadt auch als Erlebnisraum zu betrachten, in dem es immer neue Dinge zu entdecken und zu lernen gibt. Neuruppin kann genau so spannend sein, wie Spitzbergen, nur eben auf andere Art und Weise! Man muss manchmal einfach nur seine Sichtweise ein bisschen ändern.






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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.