Sonntag, 28. Juni 2015

Kultur: Barrierefreiheit – nicht mehr als „mit Rollstuhl befahrbar“?


Wenn es um Barrierefreiheit geht, denkt jeder Mensch als erstes an Menschen mit Rollstühlen. Das sind die „Vorzeigebehinderten“ in dem Bereich, wo so ein Mensch mit seinem Rolli hinkommt, da ist es barrierefrei, sonst könnte er da ja nicht hin.

Ist es tatsächlich so? Reicht es aus, irgendwo mit einem Rolli hinzukommen um zu sagen „DAS ist jetzt aber behindertengerecht!!!“? Ich denke nicht – und ich bin seit donnerstag total angefressen, auf 180 und bemühe mich, für mich mit dem, was ich erlebt habe, klar zu kommen. War von euch schon mal jemand im hiesigen Museum? Nach der Neueröffnung? Ich war auf der Eröffnungsfeier, die war sehr beeindruckend und das Museum wurde hoch gelobt, wie schick und modern es doch ist und dieses Lob wehte durch allerlei Blätter und andere Medien. 



In der Zwischenzeit habe ich öfters mal den Museumsgarten besucht; mit der Rampe bis nach oben. Ja... stimmt, da kann man mit einem Rollstuhl hoch oder mit einem Rollator. Ob man, wie alle größeren, normal auf zwei Beinen unterwegs seienden Menschen, dann oben auch den Blick in den Tempelgarten genießen kann ist aber eine andere Frage. Denn die Mauer ist da ziemlich hoch. Das Stück, wo man relativ barrierefrei durch ein Gitter gucken könnte, ist nur über mehrere Stufen zu erreichen. Das ist eben so, wenn Architekten ein für sie barrierefreies Leben führen können und Menschen mit körperlichen Einschränkungen als eine Art „nicht ernst zu nehmende Randerscheinung“ wahrnehmen, denen man die Standartnormen zubilligt ohne weiter darüber nachzudenken.

Selbstverständlich würde es fast niemand zugeben, wenn er an der Lebensberechtigung von Schwerstbehinderten zweifelt oder sie gar „Gemüse“ nennt. Das, was viele Menschen als „Teilhabe“ auffassen, ist oft nicht mehr als ein „Goodie“, ein „Bonbon“ - Teilhaben kann ein Behinderter nach Auffassung vieler „normaler“ Menschen ja auch, wenn er am Rand steht und zuschaut. Das reicht doch völlig. Wie man sich dabei fühlt – interessiert die Anderen nicht, Hauptsache, sie haben ihren Spaß. Selbstverständlich sind viele Eltern auch total dafür, das Behinderte und Nicht-Behinderte gemeinsam lernen. Bis sie merken, das ihre Kinder vielleicht Kompromisse schließen müssen, vergleichbare Klassen viel weiter sind oder die Klassenfahrten mehr kosten, weil auf eine Behinderung Rücksicht genommen werden muss. Dann ist aber sowas von schlagartig Schicht im Schacht, das kann man sich kaum vorstellen!

Die Definition von „barrierefrei“ lautet (Quelle Wikipedia) nach dem Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen § 4 :
Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen, sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.


Dieses weitergehende Verständnis von Barrierefreiheit findet sich in Deutschland auch beispielsweise in den Landesbauordnungen der Bundesländer.

Ups, da war wohl keine Lehne an der Bank in der Ofenecke...

Also im Klartext: barrierefrei sind alle Orte, Fahrzeuge, und sämtliche Sachen aus den verschiedensten Bereichen wie Computer, CD-Player, Handys oder auch Haushaltsgegenstände, wenn sie von Menschen mit Behinderungen genauso benutzt werden können wie von „üblichen“ Menschen und die Benutzung nicht sehr schwer oder immer nur mit Hilfe erfolgen kann.

Klingt logisch und einfach – oder? Aber was gibt es denn alles für körperliche Einschränkungen? Bei Rollifahrern scheint es einfach zu sein. Die sitzen in ihrem Rolli und können halt nicht laufen. Auch hier gibt es je nach Grund, weshalb so ein Mensch im Rolli sitzt, dann noch welche, die sich mehr und welche, die sich weniger bewegen können. Dann gibt es Leute, die mit Geh-Hilfen laufen. Stützen, Stöcke, Rollatoren etc. - die können zwar ein bisschen laufen, sind aber eben trotzdem auf Hilfsmittel angewiesen – und überwiegend auch darauf, das sie unterwegs ab und an eine Sitzmöglichkeit finden um auszuruhen, ihren Körper zu entlasten und ein bisschen zu entspannen. Das bedeutet – sie müssen sich anlehnen können um ihrer Wirbelsäule soviel Halt geben zu können, das die umgebenen Muskeln die Möglichkeit haben, sich auch mal zu entspannen – und letztlich auch ihrem Hirn ein Signal zu vermitteln: Anlehnen = Sicherheit.

Dann gibt es Menschen, die sind sehbehindert. Sie können schlecht oder gar nichts sehen und benötigen entweder gute Kontraste um etwas sehen zu können oder gar fühlbare Hinweise, wie zum Beispiel die Braille-Schrift für Blinde. Sehr viele fühlen auch mit den Füßen und das so etwas ziemlich gut geht, merkt ihr immer mehr, wenn ihr durch die Stadt geht und vor den Straßenquerungen die geriffelten oder genoppten Steine seht. Diese haben sowohl einen taktilen – also zu ertastenden – als auch einen visuellen – also zu erkennenden – Reiz, da sie schwarz bzw. weiß sind.

Sehbehinderte? Oh, die haben wir GLATT vergessen!

Dann gibt es Menschen, die schwerhörig oder gar taub sind. Manche haben Hörgeräte, manche Implantate – und oft reagieren diese winzigen Wunderwerke der Technik auf andere Dinge. So kann man manche Hörgeräte auf sein Telefon oder auf Konzerte einstellen etc.. Manchmal bekommen solche Teile aber auch Probleme mit stärkeren Magneten, genau wie Herzschrittmacher oder implantierte Shunt-Systeme, die den Abfluss von Gehirnwasser regulieren. Deshalb findet man an Sicherheitsschleusen wie auf den Flughäfen oder in der Radiologieabteilung in Krankenhäusern auch immer große Warnschilder, denn wenn solche lebenswichtigen Implantate gestört werden, kann das im schlimmsten Fall tödlich enden. Stärkere Magnete finden sich im Museum an den schweren Hörern, über die man sich etwas erzählen lassen kann, soweit ich das mitbekommen habe. Gekennzeichnet sind sie nicht.

Es gibt eine enorme Vielfalt von körperlichen und geistigen Einschränkungen bei Menschen, manche sieht man, manche nicht. Jeder, der „üblich“ lebt, kann froh sein, das er keine Einschränkung hat – und jeder, der mit Dingen wie „ey, bist du behindert oder was?“, „Spasti“ oder „Gehirnkrebs“ rumwirft, sollte einfach mal daran denken – der nächste LKW-Fahrer könnte dich übersehen. Und dann bist du... MATSCH. Vielleicht bist du behindert wenn du überlebst, bekommst epileptische Anfälle, weil dein Gehirn nicht mehr normal funktioniert... völlig egal. Wobei – das muss gar nicht mal ein LKW oder so sein, einer von Nicks alten Klassenkameraden ist beim Kadertraining für Tischtennis zusammengebrochen. Top fitter Kerl, 14 Jahre alt, gute Chancen auf Olympiateilnahme. Die Mutter hatte ihn just beim Training abgeliefert. Herzstillstand an der Platte, 3o Minuten lang reanimiert, wochenlang im Koma. Danach Schwerstpflegefall im Rolli.

Bei Nick entpuppte sich der Verdacht auf Migräne als ausgewachsener Hirntumor, der in letzter Minute entdeckt wurde. Auch er war danach ein Schwerstpflegefall im Rolli der im Laufe der ganzen Behandlungsgeschichte kaum etwas an Problemen ausgelassen hat. Da tauchte eine Hirnhautentzündung auf, das Gehirn wurde gequetscht und so weiter und so fort. Sein Schulfreund ist als Kleinkind von einer Leiter gefallen, als die Mutter „nur mal eben schnell“ die Post annehmen wollte. Schädelbruch und eine Odysee mit dem Rettungshubschrauber, weil jede Klinik im Umkreis gefunkt hat: „Wir sind voll, bei uns nicht landen!“. Das Kind lebt noch, weil der Pilot dann irgendwann die Schnauze voll hatte und einfach bei einer Klinik gelandet ist, sonst wäre im das Kind im Hubschauber verreckt.


Zu klein geraten? Macht nix, das Museum ist groß!
Erklärung zum Bild in den Nachträgen

Samuel Koch - vor laufender Kamera bei "Wetten das" verunglückt, Christopher Reeve, beim Reiten über ein kleines Hindernis von 50 cm gesprungen - und schwupps, "Superman" landete im Rollstuhl, Michael Schuhmacher - es wird einen sehr, sehr triftigen Grund haben, warum es keine Bilder mehr von ihm gibt und nur sehr vorsichtige Äusserungen zu seinem Zustand!
Behinderung kann JEDEN treffen! Egal ob selbst oder innerhalb der Familie und es redet sich als nicht-Betroffener immer ganz vortrefflich darüber, was für Behinderte gut ist, was ausreichend ist etc.. Vielleicht hätte das Museumsteam einfach mal das eigene Museum mit einem Rollstuhl erkunden sollen. Oder eine Schwimmbrille aufsetzen, die mit Vaseline verschmiert ist (damit macht ein blinder Bekannter immer Besuche in Schulen und schickt die Schüler auf Entdeckungsreise) – oder gleich ganz zugeklebt ist und dann mit einem Langstock sich durch das Gebäude tasten.

Aber nein, sie wissen ja alles, wie was geht und was gut ist. „Wir machen nun einmal Museum für die Masse“ erklärte Herr Albrecht, der Museumsleiter. Als ich dann Zuhause darüber nachgedacht habe, tauchte die Frage auf, für WELCHE Masse denn?

Gerade Neuruppin als Sitz der ehemaligen Landesirrenanstalt, deren Bewohner zum größten Teil nach der Wende irgendwo in Wohngruppen etc. untergebracht wurden, als Standort einer Schule für geistige Entwicklung, als Standort für Förderschulen, als Standort für die Stephanuns-Werkstatt und mit dem Parade- und Vorzeigeobjekt „Gentz-Schule“ für Inklusion und einem barrierefreien Schulhof... gerade diese Stadt leistet sich ein Museum das letztlich einen sehr, sehr, SEHR großen Teil all dieser Menschen mit den unterschiedlichsten Einschränkungen AUSSCHLIESST. Ja, sie dürfen rein. Sie dürfen da durch die Räume. Aber ob sie auch nur die Hälfte (wenn überhaupt) von dem erleben und an Wissensvermittlung bekommen, wie „übliche“ Menschen, das wage ich sehr, sehr stark zu bezweifeln.

Das Museum steht bei vielen Leuten in der Kritik. Der Bau ist zu groß, die Kooperation mit hiesigen Leuten aus der Kulturszene zu schlecht, es gibt Kritik an der Sammlung und so weiter. Zu alle dem lassen sich sicherlich vortreffliche Argumente finden um zu begründen, warum man so arbeitet.

Aber ich würde gerne die Argumente dafür hören, warum man es fertig gebracht hat, in einen Bau, der mit Millionen an EU-Mitteln gefördert wurde und in Zeiten, wo Barrierefreiheit, Teilhabe, Inklusion und so weiter immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gezerrt werden und entsprechende Projekte als Prestigeprojekte dargestellt werden, sich so behindertenfeindlich zu verhalten! 

Das, genau DAS finde ich beschämend! Und mag sein, das man im Museum auf Nachfrage mit allerlei Daten zur ehemaligen Landesirrenanstalt beliefert wird, auf die Stolpersteine dort hingewiesen wird, die an die Behinderten erinnern sollen, die dort im 2. Weltkrieg „plötzlich und ganz unerwartet“ gestorben worden sind. Aber ich habe den Eindruck, das man bei all der Wissenschaft, die man beherrscht, eigentlich NICHT begriffen hat, dass hinter so einem Wissen mehr steckt als Daten auf einem Stück Papier. Das waren (sind) MENSCHEN. 
Die ausgegrenzt, eingesperrt, zum Teil umgebracht worden sind, weil sie körperlich und geistig nicht „perfekt“ waren! Und nun ist da ein Museum, das sich auch „Heimatmuseum“ nennt, in dessen Archiven sicherlich viel Material dazu lagert – und es hat nichts besseres zu tun, als solche Leute ebenfalls „auszusperren“. Nicht vom Gebäude, das wäre dann viel zu offensichtlich und hätte sofort einen riesigen Sturm der Entrüstung verursacht. Aber man macht es ihnen eben schwer bis unmöglich, das Museum so zu nutzen wie es „übliche“ Menschen nutzen können.

Diejenigen, die die Einrichtung des Museums maßgeblich beeinflusst haben (und nein, die sitzen eher nicht im Rathaus!), haben es geschafft, aus etwas, das eigentlich Prestige- und Vorzeigeobjekt für die Stadt sein soll, in meinen Augen ein Armutszeugnis zu machen. Und das ärgert mich einfach maßlos! Ich warte dann mal auf die Antworten zu den 11 Fragen, die ich ans Museum geschickt habe – und ehrlich gesagt ist es mir grad mal wieder ziemlich scheißegal, ob ich mich mir 5 oder 10 Leuten verkracht habe, die unbehindert irgendwo irgendwelche gut bezahlten Posten inne haben, studieren konnten oder was auch immer und sich jetzt angepisst vorkommen. 

Vielleicht hätte man ja VORHER mal die tatsächlichen Fachleute für Behinderte fragen können - und das sind die Behinderten selbst oft eben auch ihre direkten Angehörigen, die 24 Stunden lang jeden Tag damit klar kommen müssen im Rahmen ihrer Einschränkungen das Leben dennoch so gut wie möglich hin zu bekommen! Wofür gibt es hier einen Arbeitskreis der sich mit Barrierefreiheit befasst, wenn sie bei solchen Projekten doch ganz offensichtlich nicht einmal mit dem Allerwertesten angeschaut werden?

„Museum für die Masse“ bedeutet „Museum für alle“ - und nicht nur für eine unbehinderte sich selbst beweihräuchernde Intelligenzelite! Übrigens sind im ganzen Museum auch einige der wichtigsten Lernmöglichkeiten und -grundlagen an sich völlig außen vor gelassen worden die man sonst in jedem anderen Museum findet. Aber die "wissen ja, wie man so etwas macht“. Man riecht dort nichts, man hört dort nichts, ein Kopfhörer ist immer nur für eine Person und entsprechend hat eine Familie z. B. dann ein Problem. Es gibt fast nichts, was man irgendwie anfassen könnte, das mehr Struktur als Glas hat, um etwas wirklich „zu begreifen“. Keine Nachbauten, keine Vergleichsmodelle, keine Braille-Schrift... GAR NICHTS. Man findet auf dem Aufsteller draußen vor dem Haus oder den Schildern an der Hauswand, mit den Plakaten zur aktuellen Ausstellung  ja noch nicht einmal einen Hinweis auf den Garteneingang. Nur die Plakate zur laufenden Ausstellung. Und ehrlich - da kann keiner kommen mit "mimimimi... der Denkmalschutz verbietet das aber...", sondern das ist einfach nur Desinteresse, "Huch, wir sind sooo toll" und Ignoranz! Denn darauf hingewiesen wurde schon mehrfach. 

Selbst Sheldon Cooper hätte bei einer Museumseinrichtung wohl mehr Phantasie und Kooperationsbereitschaft aufgebracht...

So, verweisen möchte ich gerne noch auf einige Sachen:

a) Das Magazin „Handicap“, das wir seit Jahren als Abo haben und dessen wirklich netten Herausgeber Herrn Belitz wir kennen und sehr schätzen gelernt haben. Es erscheint 6 Mal im Jahr zu einem wirklich guten Preis, ist richtig dick – und was man selbst für sich oder seinen Angehörigen nicht an Tipps oder so braucht... irgendwann trifft man auf andere Leute, die genau so etwas brauchen! Das Jahresabo kostet ungefähr 25 Euro.

b) Die Webseite nullbarriere – einfach mal auf Entdeckungsreise dort gehen. Da ist für fast jeden etwas dabei

c) Als ich das Buch „Dachdecker wollte ich eh nicht werden“ von Raul Krauthausen in der Buchhandlung abgeholt habe, wurde ich auf den lustigen Titel angesprochen. (Gut, ich hatte zwei Bücher bestellt und die Kombination der Titel „Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens“ und „Dachdecker wollte ich eh nicht werden“ ist natürlich schon.... ;-) ). Raul Krauthausen kennen viele Menschen aus dem TV von Aktion Mensch und letztens hat er getwittert: „Wurde schon wieder mit Steven Hawkings verwechselt!“. Super lesenswert das Buch und sehr ehrlich. Übrigens sammelt er Behindertenwitze. Nur mal so nebenbei. Raul hat mit Freunden zusammen die Firma Organisation „Sozialhelden“ gegründet und sie haben die

d) wheelmap.org ins Leben gerufen. Die wheelmap gibt es auch für Smartphones etc. und hilft, rollstuhlgerechte Orte zu finden – und natürlich kann man sie auch eintragen! Damit noch viel mehr Orte mit einem Rollstuhl erreichbar werden, haben sie die

e) wheelramp entwickelt, die man z. B. Als Geschäftsinhaber für verhältnismäßig wenig Geld erwerben kann um auch Kunden mit vier Rädern statt zwei Beinen begrüßen zu können – und da die wheelramp über einen gemeinnützigen Verein verkauft wird, gibt es sogar eine Spendenquittung.



Nachträge:

der Arbeitskreis für Barrierefreiheit war in dem Museum, ich schaue mal, ob ich die Protokolle bekomme.

Es gibt eine Druckwerkstatt insbesondere für die Arbeit mit Kindern. Ergo gibt es doch ein bisschen was zum anfassen... ob nur bei Führungen und mit Kindern ist mir noch nicht ganz klar.  

Ich bemühe mich, soweit ich kann, den KulturBEIRAT aus dieser Diskussion herauszulassen. Das ist meine PERSÖNLICHE Meinung - und nicht die des Beirates. 

Als Angehörige eines Menschen, der sich mittlerweile über ein Jahrzehnt in ein möglichst "übliches" Leben zurückgekämpft hat, habe ich gelernt, zu hinterfragen. Wenn mir ein Arzt mit 1,80 Metern Körpergröße erzählt: "Kleinwüchsige Menschen haben keine Lebensqualität!" - dann würde ich gerne wissen, woher er meint, das zu wissen. Er wird nie "in dessen Schuhen gelaufen sein". Ebenso ist es mit Barrierefreiheit oder Lernbehinderungen.

Heimatmuseum... ja, es ist kein direktes Heimatmuseum mehr - wird vom überwiegendem Teil der Neuruppiner aber noch als Heimatmuseum angesehen, weil es darin seine Wurzeln hat. 

Die Aufgabe eines Museums ist AUCH zu Sammeln und zu Forschen. GLEICHZEITIG hat es aber den Auftrag, Ergebnisse der Allgemeinheit zu präsentieren. Zur Allgemeinheit gehören auch Menschen mit Einschränkungen der verschiedensten  Art. Möchte man am liebsten nur sammeln und forschen, sollte man ein Institut aufmachen, da kann man am ehesten die Türen zumachen und nur die einem genehmen Leute reinlassen. 

"Du, das mit dem Judenstern ist etwas unglücklich..." - ich weiß, aber ich erkläre euch mal, warum ich das Motiv gezeichnet habe. Mein Sohn hatte ja Krebs und wurde bestrahlt. Die ganze Wirbelsäule wurde quasie "platt gemacht", damit sich dort keine Krebszellen ansiedeln können und die, die sich vielleicht dort hin verirrt haben, tot gemacht werden. Das bedeutete aber auch, dass er aufgehört hat zu wachsen. Bei 118 cm. Vielleicht nehmt ihr mal einen Zollstock und guckt, wie groß das ist. In der Klinik hat der Arzt damals immer quasie mantramäßig gesagt: "Der braucht Wachstumshormone, kleinwüchsige Menschen haben keine Lebensqualität!". Wenn euer Kind einen Hirntumor hätte, der nicht ganz entfernt werden kann und dann ein Arzt kommt und sagt: "Das Kind braucht jetzt aber Wachstumshormone, das hat keine Lebensqualität wenn es klein bleibt!" - wie würdet ihr euch fühlen? Wahrscheinlich genau wie ich: Wie im falschen Film, als ob euer Kind nur ein Versuchskaninchen ist, vor allem, wenn der Arzt just aus der Forschung zum Thema Hirntumore kommt. Eine ganz logische Reaktion für Eltern zu sagen: NEIN!  Ich habe dann viel recherchiert zum Thema Kleinwuchs und überlegt, wie wir die Wohnung anpassen können, wie die Küche umgebaut werden kann, damit er mitbrutzeln kann und so weiter und mich auf der Suche nach Menschen gemacht, die mir mehr über Kleinwuchs erzählen können. Und dann klingelte das Telefon und der Vorsitzende vom Bundesverband der Kleinwüchsigen war dran und wir haben uns lange, lange unterhalten. Darüber, wie man plötzlich erlebt, das Menschen mit Sprüchen kommen wie "musste das denn sein, das er überlebt?" oder andere Menschen für einen entscheiden wollen, was "gut" und was "schlecht" ist. Gut ist meistens, wenn es möglichst wenig Menschen mit Einschränkungen gibt. Und wenn ihr als Eltern mitbekommt, wieviele Leute noch völlig selbstverständlich Behinderten eine hohe Lebensqualität absprechen, das schwerer Behinderte völlig selbstverständlich "unwertes Leben" sind... dann ist das für lange, lange Zeit ein tiefer Schock. Dieses Bild mit dem Dreieck habe ich in Erinnerung daran gezeichnet, das mir der Anrufer dann erzählt hat, er wäre verheiratet mit einer ebenfalls kleinwüchsigen Frau. Die war schwanger, wäre kurz vor der Geburt in eine Spezialklinik gekommen - und dort hat ihnen ein Arzt nahe gelegt, das Kind abzutreiben. Stellt euch das mal vor, kurz vor der Geburt! Sie haben nach der Begründung gefragt und der Kerl hat den beiden, die BEIDE KLEINWÜCHSIG sind dann tatsächlich gesagt: "Kleinwüchsige Menschen haben keine Lebensqualität!".  Woher will er das wissen? Weil er nur aus seiner normal groß-Warte entscheidet? Sollte man also Babys kurz vor der Geburt umbringen, wenn klar ist, sie werden nie 1,70 m groß, weil sie KEINE LEBENSQUALITÄT haben und zum Beispiel im Museum kaum etwas sehen? Das ist der Hintergrund für das gelbe Dreieck. Behinderte sind oft abgestempelt, mehr, als sich normale Menschen je vorstellen können. Ihnen wird Bildung vorenthalten, sie werden von vielen Freizeitaktivitäten ausgeschlossen und so weiter. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was mir schon an den Kopf geknallt wurde, weil ich ein behindertes Kind habe. Und ich weiß, nicht nur mir... deshalb das gelbe Dreieck. 

Vor einigen Jahren habe ich übrigens das Buch "Anton oder die Zeit des unwerten Lebens" gelesen. Über ein behindertes Kind im 2. Weltkrieg. Es gibt nicht viele Bücher, bei denen ich Rotz und Wasser heule, bei Anton habe ich es. Denn dieses Buch - eine wahre Geschichte - erzählt von der Zeit im 2. Weltkrieg. Real habe ich aber über 50 Jahre später viele, viele Sachen mit meinem Kind GENAU SO erlebt. Das sind die Momente wo einem bewusst wird, das sich manche Sachen wahrscheinlich nie ändern werden und das, was sich ändert, oft nur eine oberflächliche Garnitur ist, so eine Art dicker Zuckerguss, der vertuscht, wie es oft wirklich ist. 

Deshalb... das gelbe Dreieck hat schon einen ziemlich handfesten Hintergrund - und manchmal braucht es vielleicht auch einfach mal eine "virtuelle Keule" um klar zu machen: DAS GEHT SO NICHT! 

Protokoll vom AK Barrierefreies Neuruppin liegt mir vor, ist von 2013 und im Bereich Museum sehr übersichtlich. In meinen Augen sieht die Bereitschaft mit Behinderten zu kooperieren anders aus und hätte ein aktuelleres Datum...


kann sein, das diese Liste sich noch ergänzt, also immer mal wieder nachschauen bitte. Danke.






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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.