Mittwoch, 5. Juli 2017

Wenn – dann... oder die Sache mit der Möhre und dem Esel.


Kennt ihr das Bild mit dem Esel und der Möhre an einer Angel? Manchmal sieht man das auch mit Ponys. Ich habe mal während der Kakaozeit mit Nick ein bisschen nebenbei rumgemalt...





Der Hintergedanke ist, den beiden als stur geltenden Spezies etwas so Verlockendes vor die Nase zu halten, dass sie dafür tun, was man möchte – auch wenn sie das Lockmittel womöglich nie erreichen werden. Eigentlich ist es so ein „WENN – DANN“-Prinzip: „WENN du tust, was ich will DANN bekommst du...“.  

Wie das mit einem Hund und einer Angel funktioniert, seht ihr übrigens HIER (klick mich, ich bin ein Link)




Tiere sind da relativ problemlos zu trainieren – und sie hören mitunter auch recht flott auf, wenn sie irgendwann merken: Ich mache, aber da kommt so gar nix mehr. Nicht einmal mehr zwischendurch. Wobei es bei Tieren auch relativ einfach ist, denn bei denen reicht es aus, die Grundbedürfnisse als Belohnung zu offerieren: Futter, Streicheleinheiten/Aufmerksamkeit, Ruhe/Spaß/Freizeit. Denen sind Dinge, die für Menschen wichtig sind, relativ egal. Der Unterschied zwischen Tieren und Menschen beim Thema Belohnung ist auch, dass man Tiere sofort belohnen muss, wenn man sie für eine gute Sache loben möchte. Denn nur dann können sie das, was sie gut gemacht haben mit der Belohnung auch in Verbindung bringen und lernen „wenn ich DAS mache, dann bekomme ich dafür etwas Tolles!“. Zu sagen: „Wenn du jetzt schön sitz machst, dann bekommst du in einer Stunde / morgen / übermorgen eine Belohnung dafür!“ sorgt für keinen Lerneffekt. Im Gegenteil, vielleicht macht das Tier gerade etwas ziemlich Blödes, wenn es die Belohnung für vorhin / gestern / vorgestern bekommt und verknüpft genau das Blöde dann mit der Belohnung. „Hurraaa, wenn ich mich scheiße benehme, werde ich dafür belohnt!“. Will ja auch keiner.


Bei Joey klappt es immer besser mit den Hundebegegnungen. Weil wir viel mit positiver Verstärkung arbeiten, er gelernt hat und immer wieder erlebt: Stelle ich mich bei einer Begegnung mit einem anderen Hund nicht blöd an, ist es toll für mich! Denn ich habe selbst weniger Stress und bekomme auch noch Kekse dafür! Das ist übrigens absolut wunderbar, wie gut es meistens klappt. Und selbst, wenn es noch Stress und Situationen gibt, wo es aus verschiedenen Gründen NICHT möglich ist, mit positiver Verstärkung (so wie sie sein sollte) zu arbeiten, geht es schon deutlich besser. Etwaige Klugscheißer, die jetzt kommen, sollen sich mal mit Joey 10 Metern von den Beageln aus der Nachbarschaft hinstellen und versuchen, die Situation mitten in der Stadt im Verkehr mit nur positiver Verstärkung hinzubekommen. Also mit Zureden, Alternativverhalten, Ausweichmöglichkeit bliblablubb, ganz nach Lehrbuch. GEHT NICHT IMMER. Vergessen die Hundeplatzleute aber liebend gerne.


Nun aber zu den Menschen: Weil uns Menschen aber auch viele andere Dinge wichtig sind, kann man mit Menschen viel besser so eine Art „Möhrenangelspiel“ betreiben. Man wirft eine unsichtbare Angel aus, an deren Ende etwas baumelt, was jemand gerne hätte oder machen würde, der sich relativ leicht beeinflussen lässt.


Auf Facebook sind es viele Fake-Gewinnspiele. Ich könnte euch ad hoc drei Namen nennen, die immer, immer und immer wieder auf die simpelsten Fake-Gewinnspiele reinfallen. Das ist unglaublich - aber die Hoffnung stirbt zuletzt. So werden sie auch in fünf Jahren immer noch Fake-Gewinnspiele teilen. Selbst wenn sie zwischendurch noch dreimal pro Jahr lesen durften, dass es einfach nur „Klick mich, teil mich und ich habe deinen Namen, der mir verrät, wie leichtgläubig du bist – vielen Dank!“ war.


So eine „unsichtbare Möhre“ kann aber auch eine Zusage sein, die gegeben wird. Und wenn ihr euch etwas wünscht, wie zum Beispiel mehr gemeinsame Zeit mit jemandem und der sie euch in Aussicht stellt... na, dann vergrätzt ihr den ja nicht unbedingt sofort – oder? Oder wenn euch Hilfe angeboten wird für eine Sache, die ihr gerne erledigt hättet, das aber alleine nicht so hinbekommt. „Klar, mache ich dir, gar kein Ding...“ - und schwupps, schon ist man zu dem „Klar mache ich, gar kein Ding...“ nett und freundlich. Und nett und freundlich, wenn „viel Arbeit im Moment...“ kommt, nett und freundlich wenn „Sorry, Fußball...“ kommt, „ach Mist Havarie... geht nicht“, „oh, Werkzeug vergessen“ kommt oder was auch immer. Schlichtweg, immer wenn es dann nicht geht, weil irgendwo ein Furz quer sitzt, nimmt man es erst einmal mit einem freundlichen Lächeln hin und gibt sich selbst gerne Mühe, etwas zu machen, denn irgendwann, irgendwann bekommt man ja etwas zurück. Zumindest wird einem das suggeriert.


Weil wir Menschen sind und viel leichter und verständlicher mit anderen Menschen kommunizieren können als mit Tiere, ist es deshalb auch kein Problem, mit einer „Belohnung“ oder eben „Gegenleistung“ auf später zu vertrösten. Wir lernen irgendwann als Kind, was das Wort „später“ bedeutet und je älter wir werden, desto besser und geduldiger können die meisten von uns das Wort umsetzen – wenn „später“ nicht Wochen oder Monate oder gar Jahre später bedeutet.


Man kann auch bei Menschen mit positiver Verstärkung arbeiten. Es gibt Trainer, die sogar Aufgaben bei Kindern clickern. Das klingt zwar auf den ersten Blick etwas schräg, kann sich aber je nach Aufgabe und Kind als enorm hilfreich erweisen. So habe ich ein Video gesehen, wo in den USA einem Kind mit einer speziellen Behinderung beigebracht wird, Schnürsenkel zuzubinden und eine Schleife zu machen. Die Erfolge wurden geclickert – und nachher durfte das Kind seine Mutter dabei clickern. HIER (klick mich an, ich bin ein Link) seht ihr, wie ein kleines Kind lernt, seine Medizin zu nehmen ohne sie wieder auszuspucken. Positive Verstärkung ist aber nicht nur clickern (manchmal ist clickern auch das genaue Gegenteil geworden). Es ist letztlich das belohnen von erwünschtem Verhalten durch etwas Positives – und damit das Fördern von erwünschten Verhaltensweisen durch positive Motivation. Und da ist es völlig egal, ob es ein Hund, ein Pferd, ein Kamel, ein Delfin, ein Huhn oder eben en Mensch ist. Jeder freut sich über eine positive Bestätigung, wenn er etwas gut gemacht hat – und das nicht nur als Baby und Kleinkind („hattuuu Kakakaka gemacht???? Feiiiiiinnnn!“) oder als Schüler. Das Problem bei Menschen ist nur, dass ihre Auffassung von „das habe ich gut gemacht“ mitunter enorm unterschiedlich sind.


Wenn Joey zum Beispiel etwas richtig blöd macht, dann bekommt er natürlich dafür kein Lob, sondern eher eine klare Ansage, dass es ziemlich doof war. Das kann er einordnen – seine Blicke sprechen dann Bände und oft ist es ihm auch sichtlich unangenehm. Da hat er eine wirklich sehr ausgeprägte Mimik. Ein Mensch ist uns aber sehr ebenbürtig – und da tritt dann oft ein Problem auf. Denn was wir selbst vielleicht nicht gut finden und nicht positiv bestätigen, findet derjenige, der es getan hat, vielleicht selbst ganz obersuperklassetoll. Und ist angefressen, weil wir das in unseren Augen schlechte Verhalten definitiv nicht belohnen wollen. Warum auch? Es wurde in den letzten Jahrzehnten so viel Mist belohnt, dass in vielen Bereichen die Bildung und Qualität komplett abgekachelt sind. Wenn ich positive Bestätigung langfristig für jeden kleinen Kram gebrauche, fehlt langfristig ein Anreiz, etwas zu verbessern.


Ich habe übrigens schon als kleines Kind sehr gerne gemalt. Und ich habe irgendwann gemerkt, wenn ich ein Bild meinen Eltern zeige, dann kommt oft „Jaja, toll!“. Das ist aber selten ein wirklich ehrliches Lob gewesen, sondern eher so ein „schön, und jetzt verschwinde!“. Wenn man als Kind merkt, dass ein Lob / die positive Verstärkung eher so ein Abwimmeln ist... zumindest für mich war das traurig. Es wäre nicht schlimm gewesen, WENIGER Lob zu bekommen, wenn es dafür aufrichtiger gewesen wäre.





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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.