Was steht wohl über dieser Türe? |
Gevatter Bestatter...
Als treue Leserin von Peter Wilhelms (Undertaker Tom) Bestatterweblog habe ich mir gedacht: Bestattungskultur ist auch
eine Form von Kultur. Also habe ich beim ältestens Bestattungshaus
in Neuruppin angerufen und einen Tag später saß ich bei Firma Weber
um zu fragen, wie das so mit der Bestattungskultur ist.
Auf der Homepage ist zu lesen, dass es
diese Firma schon seit 1953 gibt und sie mittlerweile in der 3.
Generation besteht. Das ist sehr schön, denn auf dem Bestatterweblog
habe ich schon oft von geschäftstüchtigen Francise-Nehmern gelesen,
die so nett mit „Pietät Eichenlaub“ umschrieben werden und die
zum Teil ob ihrer Art und Weise der oft bestmöglichen
Gewinnmaximierung bei vermindertem Einsatz von Menschlichkeit und
Herz die erste Generation nicht unbedingt überleben und ich wollte
ja gerne eine Neuruppiner Geschichte.
Interessant sind die Unterschiede bei
der Bestattungskultur zur DDR-Zeit zwischen Ost und West. Während es
im Osten überwiegend Spanplattensärge gab war das im Westen anders.
Firma Weber war aber in der glücklichen Lage, auch an „richtige“
Särge zu gelangen – was nicht einfach war, sich aber durchaus
herumgesprochen hat. Ebenso hatten sie als eine der Wenigen überhaupt
ein Telefon. Ruft man heute ziemlich selbstverständlich den
Bestatter an um einen Trauerfall zu melden war es früher anders. Da
mussten die Leute fast immer zum Bestatter kommen und bei Webers gab
es deshalb auch „die gute Stube“, in der Weber-Senior sich dann
mit den Angehörigen zurückgezogen hat um in Ruhe alle Sachen zu
regeln.
Die Aufgaben des Bestatters waren zu
DDR-Zeiten längst nicht so umfangreich wie heute. Im Endeffekt das
Abholen des Toten, das Einsargen und zum Friedhof in die Leichenhalle
bringen sowie einige Formalitäten erledigen. Den Rest erledigte der
Totengräber. Er sorgte dafür, dass das Grab ausgehoben war, für
Sargträger, Blumenschmuck und tröstende Worte. Heute ist der Beruf
des Bestatters viel umfangreicher. Der Papierkram ist viel mehr
geworden – und selbstverständlich kümmern sich Bestatter dann auf
Wunsch auch um die Kündigungen von Versicherungen und so weiter, sie
sind Seelsorger, Diplomaten, organisieren Feiern von klein bis groß
und beherzigen gerne auch besondere Wünsche. Gesetze und
Vorschriften die es zu beachten gilt sind ebenfalls viel mehr
geworden und heute gibt es dann auch so interessante Begriffe wie
Thanatologie und Embalming, wer „six feet under“ geschaut hat,
weiß in etwa, das ein Thanatologe Tote konserviert und herrichtet. Webers selbst sind keine Thanatologen, abeiten aber auf
Wunsch mit einem zusammen.
Als 3. Generation sind Lutz und Frank
Weber in den Beruf hineingewachsen. Schon mit 15 wurde zwischendurch
mitgeholfen und sich so das nötige Geld fürs Moped zusammengespart.
An einer Wand hängen alte Fotos – die 1. und 2. Generation ebenso
wie Bilder der bisherigen Bestattungsfahrzeuge. Die Webseite gibt es
erst seit einem Jahr, auch ein Traditionsunternehmen muss mit der
Zeit gehen und wo man sich bei den Altvorderen noch auf
Mundpropaganda verlassen konnte, informieren sich heute viele Leute
erst einmal im Internet, wen es da so gibt. Das ist verständlich,
das mache ich ja auch meistens und so bekommt man auf der Seite schon
mal einen sehr informativen Überblick über alles Mögliche rund um
Tod und Bestattung. Sehr berührend finde ich ein Bild mit einem
Motorradfahrer und einem Hund, auf dem „Wenn ich meine letzte Reise
mache, kümmert euch um meinen besten Freund“ steht. Es hängt im
Bestattungsinstitut über dem Schreibtisch.
Zum Leben gehört der Tod. Hatte der
Mensch die Chance, wirklich alt zu werden, ist der Tod
selbstverständlich angesehen. Der Mensch hat sein Leben lange
gelebt, Höhen und Tiefen erlebt und kann damit auf ein mehr oder
minder erfülltes Leben zurückblicken. Manch ein Mensch in höherem
Alter wünscht sich auch irgendwann, das er endlich gehen darf und
sagt: „So langsam ist genug!“ - das habe ich selbst schon erlebt.
Eine wunderbare alte Dame die Nick und ich einige Zeit betreuen
durften hatte einfach keine Lust mehr zu Leben. Familiärer Hickhack,
die so völlig veränderte Welt, Ehemann verstorben, Tochter
verstorben und dem Enkel war letztlich das Erbe wichtiger als der
Mensch. Alt werden ist nicht immer eine Gnade.
Weit schwerer wiegen dagegen die frühen
Tode. Sei es durch Unfall oder eine Krankheit. Tote Kinder bewegen
auch einen gestandenen Bestatter. Insbesondere dann, wenn er selbst
welche hat. Selbst wenn man länger die Chance hat, sich damit
auseinander zu setzen, dass ein Kind bald sterben wird... es gibt den
Verstand, und es gibt das Herz. Selbst wenn der Verstand sagt: „Es
ist besser so!“ überschwemmt das Herz einen mit einer maßlosen
Trauer. Auf Nicks 6. Geburtstag waren 3 Gastkinder: Lena, Tom und
Jonas. Alles Kinder, die sich von der Kinderonkologie her kannten.
Nick ist von allen der Einzige, der noch lebt.
Auch Unfälle reissen Menschen
plötzlich und unerwartet aus dem Leben und hinterlassen Menschen,
denen der Boden unter den Füßen weggerissen wurde und Andere, die
fassungslos sind und über denen oft ein großes gedankliches
„Warum?“ kreist. Herr Weber hat damit seine ganz eigene Erfahrung
– und plädiert dafür, das auch in der Zeit der anonymen
Bestattungen, des „wir nehmen die Billigversion der Kremierung in
Tschechien und kippen die Asche gleich dort irgendwo hin“ - auch an
diejenigen gedacht wird, die so einem Menschen nahe standen und gerne
einen Ort zum Abschied nehmen und trauern hätten. Auch wenn ich den
finanziellen Aspekt und den, das Familien heutzutage oft weit
verteilt wohnen, durchaus verstehen kann - aber ich finde, es ist
auch, als ob ein Mensch irgendwie ausradiert wird. Von Düsseldorf
aus gibt es übrigens Butterkuchenfahrten zu einem niederländischen
Krematorium. Organisiert von einem Bestatter, der mit Leiche im Auto
vorweg fährt, der Reisebus mit interessierten Senioren hinterher,
die sich dann die Kremierung angucken. Für alle, die wissen möchten, wie so ein Krematorium funktioniert: bitteschön, das Krematorium Berlin.
Hatten früher die Erdbestattungen
einen Anteil von 80 % und die Feuerbestattungen einen von 20 % ist
es mittlerweile umgekehrt. Der große und wirklich schöne Friedhof
an der Wittstocker Allee hat große Flächen für Urnengräber und
sich damit dem Trend angepasst. Dazu kommt, das ein Sarg in
Brandenburg binnen 10 Tage unter der Erde sein muss. Mitunter hat man
aber das Problem, das nicht alle Angehörigen, die gerne Abschied
nehmen möchten, dann auch schon beisammen sind. Eine Einäscherung
bietet im absoluten Notfall dann die Möglichkeit, noch ein bisschen
zu „schieben“. Die Asche ist steril – ein Leichnam beginnt
sofort mit dem „der ist jetzt tot“-Status zu verwesen.
Entsprechend gibt es nicht nur eine Auswahl an verschiedenen Särgen,
sondern auch eine Auswahl an verschiedenen Urnen, von schlicht bis
kitschig.
Das Angebot an Urnen |
Firma Weber, so wurde mir dann ganz
stolz erzählt, war dann hier auch der erste Bestatter mit
„West-Särgen“. Zwei davon wurden in ein Schaufenster gestellt –
und waren ein so großer Kontrast zu den Spanplattenmodellen, das sie
wohl ganz schön Aufsehen erregt haben. Dazu kam – diese Westsärge
konnten bis zur Währungsunion in Ost-Mark erstanden werden.
Mittlerweile sind die einfachsten Särge die, die zur Kremierung
genommen werden. Es sind schlichte Holzsärge aus unlackiertem Holz
und ohne Verzierungen – was sehr praktisch sein kann, wenn man
einen Sarg noch selbst gestalten möchte. So wurde der Sarg eines
Alt-Ruppiner Pfarrers mit Bildern aus seinem Leben verziert. Aus dem
Bestatterweblog kenne ich die Geschichte, das Kinder nach dem
plötzlichen Tod ihres Vaters dessen Sarg über und über mit
Sonnenblumen bemalt haben. Trauer und Abschied ist eben mehr als
„Deckel zu“, ein paar nette Worte und Butterkuchen essen. Warum
soll ein Mensch, dessen Leben oft bunt und fröhlich war in etwas
beerdigt werden, was ihm eigentlich gar nicht entspricht?Aktuell gibt es ein Bild vom Sarg des Kabarettisten Dieter Hildebrand, dessen Enkel seinen Sarg ebenfalls mit Bildern bemalt haben.
Die Sargausstellung |
Ebenso müssen es nicht immer Pastoren
oder Trauerredner sein, die Reden halten. Wenn wirklich nur wenige
Trauernde da sind – so Herr Weber – dann wäre es doch Unsinn,
dem Trauerredner von dem Menschen zu erzählen, den man selbst am
Besten kannte und der erzählt einem dann genau das wieder. So fand
ich auf der Trauerfeier von Omi Röbken sehr berührend, als die
Enkelin eine Anekdote mit der Oma erzählt hat – und es ist so
wichtig, wenn man in der ganzen Trauer dann trotzdem die Möglichkeit
hat, ab und zu wenigstens zu Lächeln. Ein guter Freund hat es als
riesige Erleichterung empfunden, als ich auf die Frage des Pastors
bei der kleinen Feier, ob noch jemand etwas sagen möchte,
aufgestanden und nach vorne gegangen bin. Es war zwar sehr emotional
für mich, aber es war mir wichtig zu erklären, warum ausgerechnet
Menschen, die im Leben komplett abgestürzt sind, meine besten
Freunde waren. Weil sie wussten, wie das ist, wenn sich im Leben
plötzlich alles ändert – und sie für uns da waren. Es sind vor
allem die kleinen, normalen Dinge, die dem Leben einen großen Wert
verleihen. Nicht nur das Große, Spektakuläre.
Eine Trauerfeier sollte das
widerspiegeln, was dem Menschen, von dem man dort Abschied nimmt,
gefallen hat. Und wenn jemand gerne Heavy Metal gehört hat, dann ist
es durchaus in Ordnung, auch so einem Musikgenre zu schauen, was man
für die Trauerfeier nehmen könnte. Lena hat in der letzten Zeit vor
ihrem Tod das Musical „Der kleine Tag“ rauf und runter gehört
und ihr gefiel besonders das Stück über den Abschied sehr gut. Das
Stück wurde zweimal auf der Trauerfeier gespielt. Ich kann es heute
immer noch nicht hören, ohne das ich sehr traurig werde und an sie
denke. Ruben, ein kleiner Punker aus Nicks alter Schule stand total
auf Metallica und Co. Ein großartiger Mensch mit einer enormen
Ausstrahlung, der allen, die ihn kennenlernen durften, viel gegeben
hat. Sein Name steht sogar in Art der Metallica-Schrift auf seinem
Grabstein – warum auch nicht?
Es ist gut, das sich die
Bestattungskultur ändert und eine größere Vielfalt an
Möglichkeiten zulässt. Serien wie six-feet-under (die so gar nichts
mit der Realität zu tun haben) oder „Gestorben wird immer“
nehmen den Tod von einer anderen Seite wahr. Nicht immer nur als
dunkel, mystisch und bedrohlich. Mich beeindruckt immer, wie viele
Leute sich bei Peter Wilhelm dafür bedanken, das er ihnen durch
seine Arbeit mit dem Bestatterweblog sehr geholfen hat. Egal ob es um
Bestattungsvorsorgen, Verfügungen, menschliche Geschichten wie die
von Günther, das Erklären von Abläufen beim Bestatter oder seine
qualifizierte Meinung zu reißerischen Fernsehbeiträgen ist.
Immer wieder werden Bestatter als
Aasgeier hingestellt, die im „geheimnisvollen Hinterstübchen“
sonstwas mit den Toten anstellen. Warum sollten sie? Natürlich gibt
es auch bei Bestattern schwarze Schafe. Wie in jedem anderen Beruf
auch. Wenn man Bedenken hat, das ein Bestatter den Toten wirklich
schlecht behandelt – warum macht man es zum Teil nicht selbst und
fragt, ob man Helfen kann? Auch das ist ein Stück Abschied nehmen.
Sicherlich ist es auch nicht immer einfach, sich mit dem Thema Tod zu
befassen. Aber wer sich vorab informiert, was bei tausenden anderen
Dingen so selbstverständlich ist, wird im Bedarfsfall ein paar
Probleme weniger haben. Wer sagt: „Das könnte ich nicht!“
sollte überlegen, das er vorher weit besser kann als wenn das Leben
ihm erklärt: „Ist mir völlig egal, ob du denkst, das du das nicht
kannst – du musst es JETZT trotzdem tun!“ und dieser Mensch vor
vollendete Tatsachen gestellt wird.
Also, informiert euch vorab. Das ist
auch bei Bestattungen nichts Schlimmes und bewahrt vor manch
unliebsamen und mitunter vielleicht auch unerwartet teuren
Überraschung und ermöglicht euch zudem, im Vorfeld mal darüber
nachzudenken – ja was wäre eigentlich, wenn? Der Mensch lernt im
Leben nie aus – und ich habe bei Herrn Weber in kurzer Zeit sehr
viel gelernt, an das ich sicherlich noch oft denken werde und
bedanke mich ganz herzlich für die Zeit, die er sich genommen hat.
Ihr findet im Artikel viele Verlinkungen. Vielleicht erleichtern sie
manch einem, sich mit dem Thema auseinander zu setzen.
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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.