Unsere heutige Türe findet ihr in der Bernhard-Brasch-Strasse, eingerahmt von Bauzäunen (leider).
Den, den wir besucht haben, findet ihr hinter dieser Türe übrigens nicht...
Weiter geht es mit dem Abenteuer „Adventskalender“. Unser Weg hat uns hier in Neuruppin zu Robert W. Wagner geführt, der mir mit den Worten: „Den müssen Sie unbedingt kennen lernen!“ sehr ans Herz gelegt worden ist. Wir waren also gespannt, ein bisschen aufgeregt und es war ein bisschen wie ein Sprung ins kalte Wasser. Die Zeit zur Vorbereitung war recht kurz und so waren wir relativ unvorbereitet. Ich hatte mir einige Fragen überlegt (die natürlich klug klingen sollten) – und dann empfing uns auch schon ein netter älterer Herr mit einer sehr sympathischen Ausstrahlung.
Ich mag das. Das sind genau die
Menschen, denen man stundenlang zuhören könnte ob ihrer Geschichte
und dem, was sie alles erlebt haben. Es sind Menschen, die, wenn sie
irgendwann mal nicht mehr sind, eine Lücke hinterlassen, weil sie
für etwas stehen, das es immer weniger gibt. Robert W. Wagner steht
für klassische Malerei, für beeindruckende Ölgemälde und
wunderbare Pastellbilder in Zeiten von Acrylfarbe, Edding und
Photoshop. Er steht für Kaltnadelradierungen in einer Zeit, wo man
mit Embossing und anderer vorgefertigter Stempelkunst überschwemmt
wird. Für Ruhe und Geduld, Bilder und auch Farben wachsen zu lassen
in einer Zeit von deathlines und Kreativfertigpackungen – und für
noch viel mehr.
Ausstellungsflyer |
Wir wurden durch alle Räume des
Ateliers geführt und bekamen einige Bilder erklärt – aber
insgesamt gibt es dort so viel zu entdecken – ich könnte dort Tage
verbringen und würde mit strahlenden Augen diese unglaubliche Fülle
entdecken. Was uns beeindruckt hat, war wirklich die Vielfalt. Wie
kann ich das am Besten erklären? Nehmen wir Monet, mit dem sind
meine Kinder über eine lange Zeit quasi groß geworden und der ist
recht bekannt. Monet hat in seinem Garten viele Bilder gemalt, die
man heutzutage als Postkarten und Kunstdrucke bekommt. Wer noch
überlegt, wer Monet ist (oder „welcher war das noch mal???“) –
dass ist der mit den Seerosen. Würde man 10 verschiedene Kunstdrucke
von Monet vor sich liegen haben, hätte man zwar verschiedene Motive.
Aber man hätte bis auf vielleicht ein oder zwei Ausnahmen immer die
gleiche Art und Weise, wie er – mit stetig wachsenden Sehproblemen
– seine Bilder gemalt hat. Das, was die meisten Menschen von Monet
zu sehen bekommen, sind als immer nur seine bekanntesten Werke –
und die sind halt irgendwo alle gleich.
Wer im Atelier von Herrn Wagner steht,
bekommt die volle Breitseite ab. Da gibt es Ölgemälde in hellerem
Gesamtton und im dunkleren Gesamtton. Es gibt welche mit grober
sichtbarer Malstruktur – und welche mit weit feinerer Malstruktur.
Es gibt einige Portraits – und es gibt Bilder von Landschaften,
Dörfern, aus Neuruppin – oder auch vom Großstadtleben zum
Beispiel in London oder Paris. Es ist durchaus ein Unterschied, ob
man Getreidefelder, Feldränder und Büsche malt – oder den
Picadilly-Circus in London mit Doppeldeckerbus und Leuchtreklame. Es
ist ein Unterschied, ob man einen Menschen malt (also so, das es
leicht erkennbar ein bestimmter Mensch ist und nicht in eine Mischung
aus Keith-Hearings moderne Lebkuchenfiguren und unproportioniertem
Strichmännchen ausartet) – oder ein Haus.
In den 70er und 80er Jahren hat er sich
thematisch mit der Tragödie von Goethes Faust auseinander
gesetzt.Auch von diesen Bildern gibt es welche im Atelier – und es
ist schon beeindruckend, wenn man über Jahrzehnte das „werden“
eines Künstlers betrachten kann. Ich kenne die Tragödie nur zum
Teil, weil ich keine Schule besucht habe, auf der man sich damit
auseinander setzen musste. Das, was ich von Faust kenne, ist
insbesondere von einem Alleinunterhalter mit Namen Juranek, der die
komplette Geschichte auswendig konnte und damit aufgetreten ist. Und
wenn es zu Silvester in einer Kneipe war und ein Whiskyglas den
Totenschädel ersetzen musste.
Es gibt ja nicht nur die Ölgemälde in
dem Atelier, auch viele, viele, viele Bilder aus Ölpastell stehen,
liegen und stapeln sich, auf einer großen Platte sind die Kartons
mit den Ölpastellkreiden, da leuchten meine Augen so groß, da kommt
kein Weihnachtsbaum mit! Ab und zu taucht beim Betrachten eines
Bildes dann der Gedanke in Herrn Wagner auf, dass er in diesem und
jenen Part des Bildes noch etwas verändern könnte. Dann kommt es
auf die Staffelei, es wird an dem Bild weitergearbeitet – und wenn
das Gefühl da ist: „So ist es erst einmal gut!“, dann wird es
wieder weggestellt. Vielleicht bis zum nächsten Gedanken: „Ach, da
könnte ich...“. So dauert die Arbeit an Bildern mitunter über
Jahre. Es wächst.
Nick als Blogfotograf hat einige Bilder
gemacht. Nick hat fotografiert, was ihm wichtig ist und weil eine
Digitalkamera ein Display hat, konnte er seine Bilder dann auch
sofort zeigen. Er fand es toll, das Herr Wagner und seine
Lebensgefährtin Frau Dr. Rudel, ebenfalls ein sehr sympathischer
Mensch, sich die Bilder angeschaut haben, das hat ihn sehr
beeindruckt. Sicherlich ist es auf den ersten Blick sehr irritierend
gewesen, das da jemand kommt, mit einer Idee von einem
Adventskalender – und dann auch noch ein Kind mitbringt (das ja
eigentlich schon lange keines mehr ist). Aber wie – wenn nicht
irgendwo auch auf solche Art und Weise – will man verhindern, das
Kunst wie Herr Wagner sie macht, mehr und mehr nur noch etwas für
die „obere Seite der Schere in der Gesellschaft“ ist?
Man kann nur lieben, was man kennt –
und wenn man etwas liebt, dann hat es auch einen Wert, es ist
wichtig, man teilt die Freude und Begeisterung mit Anderen. In wie
vielen Familien, die jeden Tag sehen müssen, das sie über die
Runden kommen, spielt so etwas wie Kunst kaum oder gar keine Rolle
mehr, ist „zu weit weg“ von Alltag, wo die größte Kunst darin
besteht, finanziell über die Runden zu kommen. Wer in einem Land,
das sich rühmt, vor langer Zeit mal das Land der Dichter und Denker
gewesen zu sein, nicht auch ungewöhnliche Wege geht um Barrieren
einzureissen, muss sich eben nicht wundern, wenn es immer weniger
Lobby für alle möglichen Arten von (klassischer) Kunst gibt.
Überhaupt sind bei diesem Besuch auch
irgendwo „Welten aufeinander geprallt“. Ein Adventskalender im
Internet – „Wie geht das? Wir sehen sehen das ja gar nicht“.
Sie bekommen ihn in Papierform. Interessant war für mich auch die
Frage, wie die heutige Masse an verschiedenen Kunstformen empfunden
wird, zum Beispiel Street-Art. Vor 20 Jahren gab es den Begriff
wahrscheinlich kaum, heute sind Leute wie Banksy weltweit bekannt. Er
nimmt es zur Kenntnis, allerdings gibt es in Neuruppin so etwas
nicht. Ich würde sagen: das Angebot ist sehr überschaubar.
Wir hoffen, wir haben euch Bloglesern
jetzt ein bisschen Lust gemacht, sich mit den Werken von Robert W.
Wagner zu beschäftigen. Kunst ist für jeden Menschen da, egal ob
groß, ob klein, ob reich oder arm. Es ist auch egal, ob man sich für
besonders klug hält und mit tollen Begriffen um sich werfen kann –
oder ob man einfach sagt: „Ich finde das und das Bild total schön!“
und gar nicht so genau erklären kann, warum man es schön findet. Es reicht doch völlig aus, etwas schön
zu finden! Wer sich dann mehr und mehr mit Bildern befasst, die er
für sich schön findet, erlebt, das er irgendwann in seinem Herzen
und in seinen Gedanken auch die Worte dafür findet, WARUM er es
schön findet.
Wer googelt, findet unter anderem den
Auktionskatalog vom Friedrich-Jahr mit einigen Radierungen. Von der
Edition Rieger gibt es zum Beispiel das kleine Büchlein „Ruppiner
Impressionen“ das einen Teil seiner Werke zeigt und das Buch von
„Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ aus dem gleichen
Verlag hat er ebenfalls illustriert.
Vielen, vielen Dank an Herrn Wagner und
Frau Dr. Rudel für die gemeinsame Zeit!
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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.