Mittwoch, 29. März 2017

Vom Leben mit vierbeinigem Hilfsmittel

Joey mit Kenndecke auf einer Bank


Man, schon fast April und ich habe so lange nichts mehr geschrieben! Wir leben noch und das in einem munteren Auf und Ab. Also wie üblich. Es hat sich auch Einiges getan, auch das wie üblich.


Joey ist so eine kleine Wundertüte, was die Entwicklung anbelangt. Das finde ich sehr erfreulich und es erweitert halt auch die Möglichkeiten. Zum Beispiel was Einkaufen anbelangt. Durch den ganzen Stress und Ärger in den letzten Monaten habe ich schlichtweg keine Möglichkeit mehr für mich gehabt, in größeren Läden einzukaufen. Das ging einfach nicht. Das war wie... hm... also ich habe mal so eine lange Wanderung mitgemacht. Dabei führte der Weg (sofern man das Weg nennen konnte), irgendwann zu einer längeren Planke, unter der rund drei Meter tief nichts war. Das Blöde war – ich musste da rüber. Während also mein damaliger Freund kein Problem hatte und da einfach rüber marschiert ist, habe ich gezögert, bin dann losgelaufen – und mein Körper hat mitten auf dieser scheiß Planke eine Vollbremsung gemacht und automatisch den Rückwärtsgang eingelegt. Es ging einfach nicht, da rüber zu laufen, ich habe Höhenangst und das war so ziemlich der Horror schlechthin. Ich habe es mit Hilfe dann doch geschafft.


Ungefähr so ist es mit den großen Läden, ich würde ja gerne, aber kaum war ich vor dem Eingang, gab es den Rückwärtsgang. Das ist dann ziemlich doof gewesen, vor allem, weil es ja lange zwar nicht immer einfach, aber machbar war. Es gibt Dinge im Leben, die sind echt bescheuert. PTBS gehört definitiv dazu. Nun ja, ich weiß, dass in einigen Discountern Assistenzhunde kein Problem sind – aber ich denke, das wissen halt oft die Mitarbeiter vor Ort dann nicht. Also habe ich die Discounter angeschrieben, wo ich gerne wieder einkaufen würde, ob es möglich wäre. ALDI war da sehr interessant in der Kommunikation. Aber ich hatte dann die schriftliche Zusage ein paar Tage in der Tasche und nachdem ein samstag mal wieder so richtig blöd gelaufen ist, habe ich gedacht: „Schlimmer kann der Tag heute echt nicht mehr werden – gehe ich mal zu ALDI...“. Ich war echt aufgeregt und habe mich auf ein Spießrutenlaufen eingestellt – aber es war... unglaublich. Nichts, kein, absolut KEIN Problem. Ich war bei ersten Mal so derbe aufgeregt, dass ich in 5 Minuten durch war. Mittlerweile war ich schon öfters dort und bin wirklich erleichtert, dass ich dort absolut unkompliziert einkaufen kann und weder Personal noch Kunden unfreundlich sind. Joey macht es auch wirklich super und wird jedes Mal routinierter.


Mittlerweile hatten wir Besuch aus Hamburg, vom Verein Lichtblicke, der sich für Assistenzhundehalter einsetzt. Bert Bohla war zweieinhalb Tage hier und wir haben den Arbeitskreis barrierefreie Stadt Neuruppin besucht, wo er über Assistenzhunde und die geplante gesetzliche Regelung erzählt hat. Einen Tag später waren wir bei Kirsten Tackmann, auch dort ging es um eine gesetzliche Regelung in dem Bereich. Donnerstag waren wir dann noch ein bisschen in Neuruppin unterwegs, was für mich sehr interessant war, denn Bert ist blind und nimmt die Stadt anders wahr als ich. 



Er hatte mir zugesagt, mich das erste Mal zu begleiten, wenn ich bei Kaufland in Begleitung von Joey einkaufen möchte. Das war ganz toll, denn auch wenn ich dann am Vortag von Kaufland ein Schreiben bekommen habe, dass es kein Problem mit einem Assistenzhund ist – das ist schon eine andere Nummer als mit ALDI, weil viel größer und mehr Leute. Wir sind dann dort reingelaufen und als erstes brüllte eine Kundin hinter uns los „Hey SIE DA, HUNDE DÜRFEN HIER NICHT REIN!“. Genau deshalb war ich so froh über die Begleitung von Bert, der hat sich dann mit der Dame unterhalten und gefragt, welches Problem sie hätte und ob sie lesen könnte, was da auf der Decke vom Hund steht. Danach hat sie sich entschuldigt und wir konnten weiter gehen.


Nach einer großen Runde standen wir mit etwas Reiseproviant an der Kasse, hier gab es dann kein Problem und ich habe mich gefreut, dass es dann so glatt gelaufen ist. Ich habe mich leider etwas zu früh gefreut, denn beim zweiten Mal war ich mit Joey alleine dort und die Kassiererin wollte mir dann erklären, dass Hunde in dem Laden unerwünscht sind. OK, damit konnte ich dann noch umgehen, aber Besuch Nummer drei war dann so, dass mir Mitarbeiter hinterher gelaufen sind und mich rauswerfen wollten. Die haben sich dann erst einmal durch die Schriftstücke gelesen, die ich dabei habe und kaum war Mitarbeiter Nummer eins weg, tauchte Nummer zwei auf und fing damit an... und ich habe mich dann entschlossen, nicht weiter einzukaufen, sondern zur Kasse zu gehen. Dort haben sich zwei Kunden extra wegen Joey hinter mir angestellt und waren total begeistert vom Hund und haben gefragt und sich auch viel erklären lassen, während der Kassierer dann Nummer drei war, der rumgemotzt hat. Danach war ich dann ziemlich fertig.


Mir ist klar geworden, wenn man mit einem blinden Menschen und einem Hund unterwegs ist, dann wird der Hund dem Blinden zugeordnet. Weil sich keiner so schnell direkt mit einem Blinden anlegt wenn rundherum Leute sind, war es dann auch kein Problem, bei Lidl einzukaufen. Aber selbst wenn die auf ihrer Webseite stehen haben, dass ich dort problemlos mit Joey einkaufen könnte, werde ich es dann erst einmal nicht machen, denn ich denke, auch dort wurde Joey letztlich eher zu Bert gehörend eingeordnet. 



Nun ja, ich freue mich jedenfalls über die Möglichkeit, wieder bei ALDI einkaufen zu können und dort absolut null Probleme zu haben. Es erweitert die Möglichkeiten schon deutlich. Kaufland werde ich mal schauen, die haben ein paar Sachen, die ich woanders hier nicht bekomme und die ich gerne regelmäßig hätte. Entweder bin ich also mutig – oder ich muss das, was ich dort bekomme, selbst machen. Das wären Vollkornbackmischungen, vegetarische Brotaufstriche die mit etwas mehr Ideen und Intelligenz zusammengestellt sind als von der Wurstfabrik, die jetzt einene auf veggi macht und Schokobrotaufstrich mit Kokosraspeln. Wobei in Naschi ohnehin Palmöl ist und für jede Dose Naschi wahrscheinlich ein Orang Utan Hunger schieben muss. Will ich ja eigentlich auch nicht.