Wir
schreiben das Jahr 2021 nach Christus. Es ist Ostern, und damit der
höchste Feiertag der Christen, auch wenn die meisten Christen
eigentlich immer denken, das wäre Weihnachten, weil da das Bohei
viel größer ist. Nein, es ist Ostern. Der Tag der
„Wiederauferstehung“ von Jesus.
Wir
haben Ostern 2021, es herrscht Corona und ein Bild mit einer
Grabhöhle, einem weggerollten Stein und dem Text „Lockdown hat
auch vor über 2000 Jahren schon nicht hingehauen!“ hat irgendwie
etwas für sich.
Wir
leben nun schon fast 6 Monate im „Jupp an der Latt“-Land. Ich
meine, viele Freunde und Bekannte aus Neuruppin und Umgebung können
es sich wahrscheinlich nicht vorstellen, dass hier in der Gegend
überall Kreuze stehen, an denen ein Mensch hängt. Jesus. Es sind
hunderte solcher Dinger, egal ob an Hauptstraßen, Nebenstraßen,
klein, groß, riesig, aus Stein, Holz oder Materialmix, mit Dach,
ohne Dach mit Blumenbeet oder ohne. Man entkommt ihnen einfach nicht.
Was
Viele eher nicht wissen ist, dass ich vor vielen Jahren lange in
einer Kirchengemeinde mitgearbeitet habe. Glauben kann richtig toll
sein und wir hatten in Ofenerdiek mit Christoph und Carola, Frieder
dem Jugenddiakon und Herby dem Leiter vom Missionarischen Zentrum ein
absolut tolles Team. Ich habe Vorkonfirmanden unterrichtet (das ist
quasi Katechumenenunterricht), Gottesdienste mit gestaltet und die
Mädels haben bei Kindermusicals mitgemacht. Das Highlight eines der
Musicals war Rudolf, das Kamel auf dem man sogar reiten konnte und
dass dann quer durch die Kirche gerollt ist. „Ich dachte, du malst
eines aus Pappe und schneidest das dann aus...“ kam, nachdem Rudolf
in die Kirche gebracht wurde. Zusätzlich war ich 13 Jahre bei einem
Frauengesprächskreis, der ein Ableger vom Frauenfrühstück ist.
Glauben
ist mir wichtig. Es ist ein maßgeblicher und wichtiger Teil meines
Lebens.
Schon
immer gewesen.
Aber:
ich für mich bin in all den Jahren auch mit dem Glauben gewachsen.
Die Art und Sichtweise hat sich in dem Maße geändert, wie ich
angefangen habe, Dinge zu hinterfragen. Auch das fällt hier im „Jupp
an der Latt“-Land auf: Die Kirche und ihre jahrhundertealten
Ansichten werden nicht hinterfragt. Ein Buch, das mehrere hundert
Jahre alt ist, hat immer noch Gültigkeit – gut, das Alte Testament
lässt man lieber mal aussen vor, aber das Neue Testament und damit
„alles rund um Jesus“ dass ist so wie es da steht für die
Ewigkeit.
Aber
gleiche Leute hinterfragen durchaus und mit völliger Überzeugung
einen Wissenschaftler, der jahrelang studiert und geforscht hat und
als Experte weltweit anerkannt ist, wenn es um Virus wie Sars-Covid
geht. Gar kein Ding, da sind sich selbst Leute die nie mehr als eine
5 in Bio hatten und einen Abschluss der Lernhilfeschule haben, nicht
zu schade zu, den in Frage zu stellen und alles besser zu wissen oder
Ärzten Lügen vorzuwerfen, die 24-Stunden-Schichten an der
Corona-Front schieben.
Meine
Tochter ist aus der Kirche ausgetreten. „Ich kann damit nichts mehr
anfangen!“. Eine gute und ehrliche Entscheidung und sinnvoll
investiertes Geld. Denn damit ist sie auch so ehrlich für immer auf
die beliebten Theaterstücke der U-Boot-Christen wie Kindertaufe, kirchliche Hochzeit und
kirchliches Begräbnis zu verzichten „weil man das so macht, es
eine Feier ist und die Fotos nachher im Album schön aussehen!“.
Ich bin sicher, Jesus wäre total begeistert von so viel Ehrlichkeit,
Rückgrad und Konsequenz meiner Tochter. Selbst wenn sie nicht an ihn glaubt.
Ich
werde es ihr nachtun, auch wenn ich bislang eher etwas bequem war und
dachte: „Na ja, Junior ist in einer christlichen WfbM und ich
bezahle ja keine Kirchensteuern!“. Aber je länger ich hier im
„Jupp an der Latt“-Land mit all den Folterbildern meines mit
besten Freundes konfrontiert werde, desto mehr denke ich darüber
nach, was mir diese Freundschaft tatsächlich bedeutet.
Wieviel
Wert hat es, zu sagen „Jesus ist mein Freund, wenn es mir scheiße
geht, ist er für mich da!“ - und auf der anderen Seite so
konsequenzenlos völlig egal zu finden, dass die Leute ihn
hundertfach als Folterstandbild in ihre Gärten stellen? Ist Glauben
und Freundschaft nur eine Einbahnstraße?
Denn
nichts anderes ist so ein „Jupp an der Latt“. Ein Bildnis eines
fast nackten Menschen, der schwer gefoltert wurde. Den man verletzt
und verspottet hat. Der so lange mit schweren Wunden an einem Kreuz
hing, bis er starb oder mindestens das Bewusstsein verloren hat. Er
ist mein Freund. Einer meiner besten Freunde. Was wäre ich für eine
Freundin, wenn mich das nicht mehr und mehr stören würde?
Artikel
1 des Grundgesetzes besagt: Die Würde
des Menschen ist
unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller
staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu
unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage
jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit
in der Welt.
In
Gerichten wird man bei einer Vereidigung gefragt, ob man auf die
Bibel schwören will. Damit ist klar, dass die Justiz auch den
Glauben berücksichtigt und die Existenz von Gott und letztlich auch
Jesus und Maria anerkennt. Denn sonst würde man ja auch nicht auf
die Bibel schwören dürfen.
„Die
Würde des Menschen endet nicht mit dem Tod".
Ein starker Satz! Dazu gibt es eine ganz interessante Ausarbeitung
des Wissenschaftlichen Dienstes im Deutschen Bundestag*. In dieser
steht unter Anderem: „Nach einer weiteren Ansicht wird der Schutz
der Menschenwürde zwar durch den Tod beendet, gleichzeitig gelte das
Gebot der Menschenwürde aber als grundsätzliches Prinzip der
Werteordnung des Grundgesetzes auch über den Tod hinaus fort.“,
Ebenso
findet man dort auch etwas zu „erniedrigenden Darstellungen“ und
zwar: „mit dem verfassungsverbürgten Gebot der Unverletzlichkeit
der Menschenwürde, das allen Grundrechten zugrunde liegt,
unvereinbar sein, wenn der Mensch, dem Würde kraft seines
Personseins zukommt, in diesem allgemeinen Achtungsanspruch auch nach
seinem Tode herabgewürdigt oder erniedrigt werden dürfte.
Dementsprechend endet die in Art. 1 Abs. 1 GG aller staatlichen
Gewalt auferlegte Verpflichtung, dem Einzelnen Schutz gegen Angriffe
auf seine Menschenwürde zu gewähren, nicht mit dem Tode.“**
Alles
das besagt letztlich, dass jedem Menschen auch nach seinem Tod Würde
zusteht. Ein Folterbild wie das von „Jupp an der Latt“ ist aber
nichts, was auch nur im Entferntesten etwas mit Würde zu tun hat. Wer
sich 2021 ohne Probleme herausnimmt, weltweit führende
Wissenschaftler zu hinterfragen – warum hinterfragt man 2021 nach
Christus nicht auch mal, ob seine entwürdigende Darstellung als
Folteropfer überhaupt noch zeitgemäß und angemessen ist?
In
über 85 % aller Fälle gibt es nur zwei Darstellungen von Jesus:
„Hurra, ein Baby!“ und „Folteropfer“. Der Rest ist „Maria
mit Kind“, „Jesus segnet“, „Maria Magdalena mit Leiche“
oder „Abendmahl“. Christen haben zum großen Teil offensichtlich
ein Faible für entwürdigende Gewalt. Oder
dafür, nicht nachzudenken.
Für
Filme gibt es die „Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft“.
Das sind auf den DVD´s die Label mit FSK 0, FSK 6, FSK 12 etc..
Filme werden von ihrem Inhalt her danach geprüft, in wieweit sie den
kognitiven Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen entsprechen. Der
Film „Die Passion Christie“ mit Mel Gibson hat FSK 16.
Der
prämierter Schweizer Kinderfilm „Mein Name ist Eugen“ musste für
Deutschland gekürzt werden und hat hier die FSK 6 bekommen, weil
eine einminütige Albtraumszene eines Kindes „an Vorgänge in Abu
Ghraib erinnern würden“.
Aber
völlig problemlos taufen wir selbst kleinste Kinder unter
marzialischen Folterbildern von Jupp an der Latt und feiern das sogar!
Wisst
ihr, was ich an Jesus eigentlich so toll finde? Warum ich an ihn
glaube? Vielleicht sollte ich euch das erklären. Jesus war zu seiner
Zeit ein Mensch. Wie du und ich Menschen sind. Und genau wie heute
gab es auch schon damals diejenigen, die mit dem Strom geschwommen
sind – und diejenigen, die eigene Meinungen hatten. Die hinterfragt
haben, Dinge IN FRAGE gestellt haben. Keine Ahnung, wie man solche
Leute früher nannte, heute nennt man sie meistens „Freaks“.
Jesus
war also zu seiner Zeit ein Freak. Einer, der sich Gedanken macht,
der hinterfragt. Der oft unbequem ist. Aber zu seiner Sache steht und
damit jede Menge Rückgrad beweist! Mehr also so manch anderer.
Judas, der Verräter zum Beispiel. Der fand Jesus zwar auch ziemlich
cool und hat sich ihm angeschlossen – aber als es dann um „Butter
bei die Fische“ ging, hat er seinen Freund verraten um seine eigene
Haut zu retten. Ich mag Jesus, weil er mit seinem Rückgrad und Freak
sein für mich ein riesen Vorbild ist. Er hat sein Ding durchgezogen,
selbst wenn er dafür letztlich zu Tode gefoltert wurde. Aber selbst
diese Konsequenz hat er in Kauf genommen.
Ich
mag ihn, weil er das damalige System hinterfragt hat. Eine meiner
liebsten Geschichten ist die mit der alten Frau in der Kirche. Sie
ist arm und wirft nur eine winzig kleine Münze in den Opferstock.
Dafür wird sie von einem wohlhabenden Kerl verspottet. Jesus hat dem
dann erklärt, dass die Frau alles gegeben hätte, was sie hatte –
der Typ aber, der hätte selbst nur einen kleinen Teil dessen
gegeben, was er hat um noch genügend für sich selbst zu behalten.
Jesus
hat die Leute aufgefordert, Dinge zu hinterfragen und aus anderen
Blickwinkeln zu sehen. Ebenso hat er den Leuten vermitteln wollen,
dass sie das, was sie haben, auch teilen sollten, wenn es notwendig
ist. Davon erzählt die Geschichte der Speisung der 5000, oder auch
„Die wundersame Brotvermehrung“.
Das
sind die Dinge, warum ich Jesus als Freund sehe und an ihn glaube.
Warum er für mich ein Vorbild ist. Geschichten, die so viel mehr
zeigen, was er eigentlich von den Menschen wollte.
Was
die Kirche in den ganzen Jahrhunderten aus Gott, ihm und Maria
gemacht hat, ist eine ganz andere Sache! Das muss man letztlich auch
immer im Kontext „WEM NÜTZT ES UND WARUM?“ und den Herrschafts-
/ Machtstrukturen durch die Jahrhunderte hindurch sehen. Die Bibel
war etwas, das war geschrieben. Lesen und Schreiben konnten früher
aber nur sehr wenige Leute und so mussten alle anderen einfach
glauben, was ihnen erzählt wurde. Zumal es ja auch nur relativ
wenige „Fernverbindungen“ wie internationale Handelswege gab und
auch diese nur von relativ wenigen Menschen genutzt wurde. Deshalb
war es sehr einfach von Kirche und Staaten, die Bibel und den Glauben
als Machtmittel einzusetzen und in vielen Geschichten oder eben auch
Handlungen immer wieder auch sehr grausam zu sein. Denn Menschen, die
in Angst leben, lassen sich viel leichter beeinflussen. Etwas, das
auch heute noch gilt. Bildung vorenthalten, Angst, Erpressung und
Einschüchterung sind auch heute noch sehr beliebte Mittel um Macht
auszuüben. Egal ob in einer Freundschaft, in einer Familie, in einer
Firma, innerhalb des Staates oder der Kirche.
Ist
Jesus für unsere Sünden gestorben? Welchen Sinn hat es, so etwas zu
sagen und dann das Bild eines „Jupp an der Latt“ zu verbreiten?
Und wenn Jesus umgebracht wurde, weil er den Machthabern zu unbequem
war, seine eigene Meinung hatte, Menschen aufgewiegelt hat und man
ihm deshalb am liebsten das Maul stopfen wollte? Ist das nicht viel
wahrscheinlicher? Schaut euch doch nur mal in der Welt um, was die
Mächtigeren mit Menschen machen, die ihnen nicht in den Kram passen!
Völlig egal, ob sie Greta, Assange, Ghandi, Mandela oder Latifa
heißen!
Viele
Menschen warten darauf, dass „Jesus wieder erscheint!“. Darüber
gibt es auch richtig tolle Geschichten, wie viele wohlhabende und
wichtige Leute in einer Kirche warten weil gesagt wurde „dann und
dann kommt Jesus zurück auf die Erde und erscheint hier in der
Kirche!“ und sie warten und warten – und er kommt nicht. Dafür
hören sie von draußen wo das einfache Volk steht, irgendwann Jubel.
Oder ähnliches Szenario und es kommt so ein etwas heruntergekommener
Typ angeschlurft und die Leute sind völlig fassungslos, dass das
Jesus sein soll.
Das
eigentliche Ding an der Sache „Kommt Jesus noch mal wieder?“ ist
doch vor allem: Stellt euch vor, ihr seid eine Familie. Mutter,
Vater, Kind. Kind stirbt – und die Leute finden es einfach nur
geil, überall entwürdigende Standbilder von eurem toten Kind
hinzustellen. Dann sind die auch noch so drauf, dass die euch
anflöten: „GUCKT MAL, wir haben überall Bilder von eurem fast
nacktem toten Kihiiiind wie es jämmerlich blutend am Kreuz hängt!
Ist das nicht absolut toll, wie wir euch zeigen, wie sehr wir euch
lieben? Whow, oder?“.
Würdet
Ihr nicht auch entsetzt sein, an dem Verstand dieser Menschen
zweifeln und irgendwann nur denken: „Was für (hier beliebige
Beschimpfung einfügen) Menschen es doch gibt! Komm, bleiben wir
lieber bei dem dicken lächelnden Buddha und spielen mit dem noch
eine Runde Schach, lass die Menschheit ruhig den Bach runtergehen,
verdient haben sie es!“?
Oder
stellt euch mal vor, hier landen Aliens! Das wäre ja besser als bei
„Mars Attacks“! Die würden ja sofort wissen „Ohhhh, super, die
stehen hier auf Folter!!!“ und „brrrrzzzzzllll“ wären wir
allesamt gegrillt. Zumindest diejenigen, die das eindeutige „Ich
finde Foltern gut“-Statement im Garten haben.
Frohe
Ostern – oder was auch immer...
*
Die postmortale Schutzwirkung der Menschenwürdegarantie
Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 384/18 Abschluss der Arbeit: 05.11.2018
Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung
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BVerfGE 30, 173 (194).