Passend zu einem Artikel in der MAZ,
wo der Bahnhof in Lindow und die Zugfahrt von Neuruppin nach Lindow
vorgestellt wurde, hatte ich das Vergnügen, eben diese Strecke mit
dem Zug zu fahren. Dieses Jahr ist es, wie bereits letztes Jahr,
einen umleitungsbedingte Ausnahme, dass ein Zug von Neuruppin nach
Rheinsberg fährt. Weil mein Hund in einem Bus durchgehend einen
Maulkorb tragen müsste, dies bei der Bahn etwas lockerer gesehen
wird und der Artikel mich neugierig gemacht hat, starteten wir also
in Neuruppin auf Gleis 2 ins Erlebnis. Den Maulkorb habe ich übrigens
dabei, sollte sich dann doch irgendwer darauf berufen, das Hunde
Maulkorb tragen müssen. Da es ein weicher Nylonmaulkorb ist, passt
er zusammengerollt in eine kleine Tasche vom Rucksack.
Ticket gibt es im Zug an einem (sehr
langsamen!) Ticket-Automaten, der Zugbegleiter war so freundlich,
jedem, der irgendwie ein Problem mit diesem Automaten hatte, mit Rat
und Tat zu helfen. Mir hat er durch den Tipp geholfen, wenn ich eine
Tageskarte für 8 Euro nehmen würde, wäre da der Hund schon mit
drin, würde ich ein Einzelticket für 4 Euro nehmen, bräuchte der
Hund ein Kinderticket für 3 Euro. Weil einige Fahrräder eingeladen werden,
verschwinden Farino und ich im Spielabteil mit den bunten
Fensteraufklebern, wo er es sich zwischen den beiden Bänken
gemütlich macht.
Erst einmal ging es über den
Seedamm – und links herum durch Gildenhall. Die Strecke verläuft
hier einige Zeit zwischen der Gildenhaller Allee und einem Wald. Sehr
schön. Die Eisenbahnverbindung von Herzberg nach Neuruppin ist 1902
entstanden und hatte bis 2006 auch Haltepunkte in Gildenhall und
Alt-Ruppin. Danach wurde sie stillgelegt.
In Alt-Ruppin macht sie einen großen
Bogen. Aus der Ferne sieht man in Wulkow schon einen großen, grauen
Betonklotz – die JVA Neuruppin-Wulkow, die seit 2001 auf dem
Gelände der ehemaligen GUS-Streitkräfte besteht. Die JVA bietet 300
Haftplätze für Straftaten bis zu 2 Jahren.
Kurz darauf erreicht der Zug seinen
ersten Halt: Herzberg. Wer denkt, dass der Name sich vom „Herz“
ableitet, liegt falsch. Erstmals erwähnt wurde Herzberg nämlich
1365, zu der Zeit sprachen die Menschen niederdeutsch und damals hieß
der Ort „herteberch“ – herte ist das alte Wort für Hirsch. Der
Bahnhof ist klein und schlicht, eingerichtet 1896 auf der Strecke
Lindow-Löwenberg.
Das Herz eines jeden Eisenbahnfans
geht allerdings auf, wenn er mitbekommt, das es hier derzeit einen
Bahnhofsvorsteher mit Kelle (und zum Teil rotem Käppi) gibt und die
Weichen von Hand umgestellt werden müssen. Deshalb dauert der
Aufenthalt hier ein paar Minuten – zudem muss der Lokführer den
Führerstand wechseln. Wer von Neuruppin nach Herzberg in
Fahrtrichtung gesessen hat, sitzt von Herzberg nach Rheinsberg
entgegen der Fahrtrichtung. Ist die Weiche umgestellt, geht es rechts
herum Richtung Rheinsberg.
Es stimmt, die Strecke ist ein
Genuss. Es schaukelt und tutet sehr oft, denn vor jedem kleinen Weg
gibt der Zugführer ein Signal, das der Zug sich nähert. Es tutet
oft, denn es gibt viele, viele kleine Wege über die Schienen. Es
geht durch Wald, an Feldern vorbei – und an alten Obstwiesen, die
ich so das letzte Mal vor über 30 Jahren gesehen habe – auf der
Modelleisenbahnplatte von meinem Bruder. Ich bin begeistert. Die
Reisegeschwindigkeit beträgt bis auf wenige Ausnahmen 50 km/h. Hätte
ich zweibeinige Begleitung, würde ich wahrscheinlich die halbe Zeit:
„Guck mal, wie süüüß!“ oder „Boah, ist DAS schön!“
quietschen.
Dann erreichen wir Lindow – die
Stadt der drei Seen, der Bahnhof leider wie viele Bahnhöfe
heruntergekommen, ungepflegt und verwittert. Schade. Zudem liegt der
Bahnhof hier deutlich ausserhalb der Stadt. Weiter geht es am
Gudelacksee vorbei, gut zu sehen, weil die Schienen auf einem Damm
verlaufen.
Der Zug fährt durch ein riesiges
Waldgebiet. Es wechseln lichte Bereiche mit wenigen Jahre alten
Schonungen und dicht bewachsenem Unterholz und es schaukelt zum Teil
wie auf einem Boot. Ein Geräusch zu meinen Füßen, das nichts Gutes
erahnen lässt schreckt mich auf – mein Hund war dann doch nicht
soooo seetüchtig. Na ja, es hat sich später herausgestellt, er
hatte sowieso Probleme mit dem Magen, das Geschaukel war denn etwas
zu viel. Merke: es ist grundsätzlich gut, Muffbeutel und mindestens
eine Packung Taschentücher dabei zu haben um für solche Vorfälle
gewappnet zu sein.
In Rheinsberg passieren wir den
dortigen Holzhof. Auf dem Holzhof werden pro Jahr bis zu 25 ooo
Kubikmeter Holz verarbeitet. Stämme von bis zu 16 m Länge und einem
maximalen Durchmesser von 40 cm können hier verarbeitet werden. Sie
werden entrindet und auf Krümmung, Verwachsungen, Drehungen etc.
kontrolliert. Verarbeitet wird hier vornehmlich Kiefer.
Wenig später steht der Zug an Gleis
1 in Rheinsberg. Schon im Zug fallen mir die alten Waggons hier am
Bahnhof auf, insbesondere der sehr beeindruckende Atomtransportwagen.
Es sind Ausstellungsstücke der „Arbeitsgemeinschaft Bahnhof
Rheinsberg“ (www.bahnhof-rheinsberg.de),
der Atomtransportwagen kommt vom ehemaligen Kernkraftwerk Rheinsberg,
das 1995 stillgelegt und seit dem abgebaut wird. Die AG Bahnhof
Rheinsberg feiert übrigens am 31.8 und 1.9.2013 ihr jährliches
Bahnhofsfest – ich bin sicher, es ist eine Zugfahrt dahin wert.
Die Strecke Neuruppin – Rheinsberg
wird 10 Mal am Tag von einem Zug bedient – fünf Züge hin, fünf
Züge zurück. Der Fahrplan lässt einem (wenn man nicht gerade den
letzten Zug nimmt) genügend Zeit, das Städtchen selbst in Ruhe zu
entdecken, bevor es dann ein paar Stunden später wieder zurück
geht.
Und weil ich so nett bin ;-) hier
die Abfahrtszeiten:
ab Neuruppin Rheinsberger Tor: 9:31,
11:32, 15:32, 17:32 und der letzte fährt 19:32 Uhr. Bitte beachten,
dass der Zug auf Gleis 2 steht und man dafür über die Schranken
muss, nicht auf den letzten Drücker kommen.
Ab Rheinsberg: 10:31, 12:31, 16:31,
18:31 und der letzte Zug fährt 20:31 Uhr. Insbesondere an Sonn- und
Feiertagen rechtzeitig am Bahnhof sein um möglichst vor der
Fahrradinvasion in den Zug zu gelangen. Dieser Zug fährt NUR vom
15. Mai bis zum 31. Oktober.
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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.