Gestern war
Stadtverordnetenversammlung. Ich habe mir die Einladung online
angeschaut und dann gesehen, das es unter anderem um den Verkauf der
beiden Fahrgastschiffe an die Stadtwerke Neuruppin geht.
Da es aber auch um die Puschkin-Schule
ging, wurde wie üblich wieder mobil gemacht und ein Haufen Schüler,
Eltern und Lehrer bevölkerten das Rathaus. Sehr eindrucksvoll.
Nachdem draussen die bunten Transparente völlig durchgeregnet sind,
wurden damit bunte Tropfspuren quer durchs Treppenhaus bis in den
Ratssaal gelegt. Ich bin sicher, viele Eltern die dort anwesend
waren, würden sich echt einen Keks freuen, wenn ihre Kinder zu Hause
auf den Fußböden so herumsauen. Aber... das ist ja ein öffentliches
Gebäude... da ist so etwas irgendwie voll egal.
Interessant zu sehen war auch die
Wiederverwertung von Wahlplakaten als Träger von buntem Tonpapier
auf den in diversen Schriften „Puschkin forever“ und so etwas
stand. Das nennt sich dann wohl upcycling und ist immerhin besser,
als die abgerissen unter die nächste Hecke zu feuern. Es ist nicht
so, das ich den Unmut nicht verstehen könnte. Aber wenn ich dann
mitbekomme, wie es vielen im Endeffekt einfach nur um Stimmungsmache
geht und sie denken, das irgendwo garantiert ein Goldesel im Keller
steht, der munter Taler scheißt und man die nur aufsammeln muss um
alles bezahlen zu können, frage ich mich, wo die eigentlich leben.
Oder das völlig selbstverständlich die Kinder, die Eltern in die
Welt setzen, von den Eltern instrumentalisiert werden. „Unsere
Kinder sind jeden Euro wert!“ - ja, sicher sollte in Bildung
investiert werden und schön, wenn es verschiedene Bereiche gibt.
Deutschland ist da im Vergleich zu anderen Ländern echt luxeriös
ausgestattet, auch wenn gerne das Gegenteil behauptet wird. Aber ich
habe 3 Kinder in die Welt gesetzt – und mir ist irgendwie von
Anfang an klar gewesen, das es nicht sein kann, mich aus der
Verantwortung zu ziehen, was deren Bildung anbelangt. Blöd nur, das
ich mit meiner Auffassung wohl ziemlich alleine da stehen. Nun,
vielleicht sollten einige Leute ihre Kinder mal auf eine etwas
speziellere Förderschule schicken. Vielleicht, weil es Schulpflicht gibt, aber man gar keine andere Wahl hat, wenn das Kind behindert ist. DANACH können sie sich gerne
beschweren, das ihre Kinder zu wenig lernen.
Es wurden 5200
Unterschriften überreicht. Schön. Meine war nicht dabei. Denn es
ist einfach, irgendwo etwas zu unterschreiben oder bei
Online-Petitionen in fragwürdigem Format „ich bin dafür!“
anzuklicken. Ganz einfach... aber was ist, wenn man den 5200 Leuten
sagen würde: „Na ja, IHR wollt unbedingt eine zweite Oberschule
erhalten, finanziell ist das aber für uns nicht mehr tragbar – wir
gründen einen Förderverein. Wenn jeder von den 5200 Leuten im Monat
2 Euro blecht, das sind grob pro Werktag 10 Cent, dann ist so viel
Geld pro Jahr drin, da ist sogar noch was bei über um das Angebot in
der Schule weiter zu verbessern!“ - würden dann IMMER NOCH alle
5200 Leute sagen: „Ja, uns ist die Schule so wichtig, wir bezahlen
im Monat die 2 Euro!“? Ich denke, genau in dem Moment würden
mindestens 3000 Leute einen Rückzieher machen. SO wichtig ist denen
die Schule dann nämlich doch nicht. Meine Meinung.
Mich hat vielmehr etwas interessiert,
was aber dann zu einer Zeit besprochen wurde, wo ich schon nicht mehr
da war. Die Fahrgastschifffahrt. Genau wie Schulen,
Schulentwicklungskonzepte und bunte Schullandschaften ihre ganz
eigene Historie haben, hat auch die Fahrgastschifffahrt ihre ganz
eigene Geschichte, von der ich kaum etwas weiß. Was weiß ich?
Früher gab es ein Schiff mit dem Namen „Herz Ass“, das irgendwo
in einer Halle herumsteht und einen neuen Motor braucht. Dieses
Schiff war sehr beliebt. Statt der „Herz Ass“ gibt es jetzt zwei
große Schiffe, die „Kronprinz Friedrich“ und die „Gustav
Kühn“, die beide ein Zusatzgeschäft sind, da sie nicht
ausgelastet sind.
Was weiß ich noch? Das Neuruppin sich
als eigentlich sehr kleine Stadt letztlich FÜNF Ausflugsboote
leistet. Davon gehören zwei dem Seehotel, wozu die „Ruppin“
gehört – keine Ahnung. Aber FÜNF Ausflugsboote in einer so
kleinen Stadt... das ist echt beachtlich. Wären alle 5 Boote auf einmal voll belegt, wären es beim Seehotel 46 Leute, die auf einen Schlag herumgeschippert werden könnten. Die Ruppin hat etwa 12 Plätze - und die beiden großen Schiffe kommen zusammen auf mindestens 200 Passagiere. Also könnten theoretisch rund 260 Leute auf einen Schlag auf den See verfrachtet werden.
Wahrscheinlich müsste man so eine Art "Butterfahrtkonzept" zu Spottpreisen entwerfen und die Touristen an mindestens drei Tagen im drei Stunden-Takt busladungsweise ankarren, um die beiden großen Schiffe rentabel zu halten.
In der Vorlage zur
Stadtverordnetenversammlung gestern stand dann, wie auch schon in der
Presse zu lesen war, drin, dass die beiden großen Boote von den
Stadtwerken aufgekauft werden sollen. Damit sind sie aus der Bilanz
der Stadt raus – auf dem ersten Blick eine gute Idee. Auf den
zweiten Blick aber....
Was ist die Aufgabe der Stadtwerke? Sie
versorgen uns mit Gas/Fernwärme, Strom und Wasser und entsorgen das
Abwasser. Dafür sind sie gegründet worden, das ist ihre Aufgabe und
genau damit verdienen sie ihr Geld. Wahrscheinlich fast jeder, der in
Neuruppin wohnt ist Kunde der Stadtwerke, weil er Strom, Wasser und
Wärme braucht.
Die Stadtwerke bewirken viel positives
hier in der Stadt und unterstützen auch viele Veranstaltungen. OK,
aber... sie kümmern sich auch um so etwas wie den GOLDFISCHTEICH im
Stadtwald. Stand letztens in der Zeitung, die Stadt kann den nicht
mehr bewirtschaften, die Stadtwerke springen ein. Nun also die
Schiffe. Neuruppin hat eine hohe Arbeitslosigkeit. Gerade auch in den
Wohnkomplexen wohnen sehr, sehr, sehr, SEHR viele Menschen, die im
Monat gerade mal eben so über die Runden kommen. Liest man in
Zeitungen, gerade auch jetzt mit dem Konflikt in Russland, liest man
auch: „Der Gaspreis steigt!“ - und ebenso liest man immer wieder
von Menschen, denen der Strom abgestellt wird, weil sie die
Energiepreise nicht mehr bezahlen können. So wurde mal einer Familie
mit 3 kleinen Kindern die Energieversorgung abgestellt – und im
Endeffekt kamen dabei 5 Leichen heraus, weil die aus lauter Not dann
in der Wohnung einen Kohleofen oder so angeworfen haben.
Gasvergiftung.
Und dann wundert es mich, das die
Stadtwerke so viel Geld übrig haben, um die Schiffe zu kaufen und
die Folgekosten zu tragen. Das dieses Geld nicht etwa dazu genutzt
wird, für die Kunden, die oft eben ohnehin nicht viel haben, einen
Puffer zu schaffen und die Preise stabil zu halten – sondern das
letztlich dann wohl ausgerechnet diejenigen, die nicht viel haben und
sich oft nicht einmal eine Fahrt mit einem der Schiffe leisten
könnten ohne im Gegenzug dafür lange von Wasser und Brot leben zu
müssen, das genau DIEJENIGEN jetzt irgendwo dafür herangezogen
werden, diese Schiffe zu finanzieren. DAS finde ICH absolut unsozial
und auch völlig unverständlich. Und da man hier kaum eine Chance
hat, irgendwie an den Stadtwerken vorbei zu kommen, weil man halt
Wasser und Wärme braucht, finde ich es auch ein Ausnutzen der
Kunden. Ein „Hey, ihr seid von uns abhängig, also können wir tun
und lassen, was wir wollen!“.
Ich lasse mich gerne eines Besseren
belehren. Eines: „Nein, nein, das ist überhaupt nicht so...“.
Aber ich sehe kein „Das ist überhaupt nicht so!“. Denn welcher
reguläre private Investor möchte in ein Geschäft investieren, wo
von vornherein klar ist, dass er jedes Jahr enorme Verluste in Kauf
nehmen muss? Investoren investieren Geld, um Geld zu machen. Nicht,
weil sie von vornherein Geld zum Fenster rauswerfen wollen. So viel
zu: „Die Schiffe an die Stadtwerke zu verkaufen ist der erste
Schritt um die Fahrgastschifffahrt zu privatisieren!“. Dann sollte
man so ehrlich sein und sagen: „Langfristig wird mindestens eines
der beiden Schiffe verkauft werden müssen und für die
Fahrgastschifffahrt in Neuruppin nicht mehr da sein!“. Warum also
nicht gleicht so?
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Vielen Dank für den Kommentar. Er wird nicht sofort zu sehen sein, weil ich erst noch schauen möchte, ob es tatsächlich ein Kommentar ist oder ob es Werbung aus Nigeria und Co ist.